Kelly Clarkson – My December

PopRock, VÖ: Juni 2007
Das letzte Album von KELLY CLARKSON verkaufte sich weltweit 11 Millionen Mal – das Präfix „American Idol Winner“ braucht sie nicht mehr. Dies hat ihr die Autorität gegeben, die Form ihres dritten Albums zu diktieren, und sie hat sich für Rock entschieden. Das ist natürlich nicht „ROCK“, sondern die putzige Art, die um Verzeihung bittet, Lärm zu machen.

Im Vorfeld zum dritten Album hat Kelly Clarkson gesagt, sie möchte, dass „My December“ wie Bruce Springsteen’s „Nebraska“ wird, weil es gewagt, unkommerziell, kompromisslos und… Ach komm schon. Es ist ein Album von Kelly Clarkson, verdammt noch mal. Dabei hätte die Veröffentlichung zu keinem unbeständigeren Zeitpunkt in der Karriere der Sängerin kommen können. Sie hat kürzlich ihr Managementteam gefeuert. Nicht nur das, sie war auch gezwungen, ihre große Sommertour wegen schlechter Ticketverkäufe abzusagen. Beide Veranstaltungen haben eine Flut von Unterhaltungsnachrichten, Begeisterung, Gerüchten und eventuelle Hype-Folgen hervorgebracht. Vielleicht ist jetzt doch ein guter Zeitpunkt, das Album zu veröffentlichen, bei all dem gestiegenen Bekanntheitsgrad von Clarkson im Moment. Wer weiß? Trotz des Wirbels der Öffentlichkeit in Bezug auf Management und Tourneen ist „My December“ natürlich kein „Nebraska“, aber zumindest auf dem Papier wegen der einfachen Tatsache bemerkenswert, dass Clarkson weiterhin ihre American-Idol-Insignien zugunsten kantigerer klanglicher Entscheidungen ablegt.

Wie „Breakaway“ haben auch die Rocker von „My December“ die Tendenz, gleich zu klingen, mit gedämpften, warnenden Intros und Strophen mit niedrigerer Stimmlage, gefolgt von vollstimmigen Hooks und dramatischen, gegurteten Bridges, alles im Namen von Herzschmerz und Rache. Bei „Since U Been Gone“ und „Behind These Hazel Eyes“ spielte Clarkson nur Verkleiden. Dieses Mal hat ihr jemand wirklich das Herz gebrochen, und indem sie jeden Song des Albums mit ihrer Hand schreibt, sorgt sie dafür, dass mehrere Millionen Menschen davon erfahren: “I hope the ring you gave to her turns her finger green,” lautet die brodelnde Eröffnungszeile zu „Never Again“. Clarkson ist nicht der sexy, schmal taillierter Popstar und es ist diese Tatsache, die sie für ihre überwiegend junge, weibliche Fangemeinde so zugänglich macht. Es ist die Art von Authentizität, die nur eine so stolze „durchschnittliche“ Künstlerin wie Clarkson in sich vereinen vermag.

Obwohl „My December“ einen Großteil der Ballade im erwachsenen zeitgenössischen Stil streicht, die ihre ersten beiden Veröffentlichungen beeinträchtigte (aber auch mehr als nur ihren kräftigen Stimmumfang zeigte), findet Clarkson auf dem Album immer noch weitere Facetten ihrer Stimme, die zu viel mehr fähig ist – mehr als nur Pop und Rock: Sie verleiht dem blechernen „Yeah“ ein wenig Funk-Swagger und bietet auf dem Hidden Track „Chivas“ etwas akustischen Soul. Zum größten Teil zeigt „My December“ eine Kelly Clarkson, die sich auf neuere, möglicherweise grünere klangliche Weiden vorwagt. Wie bei jedem Popstar, der versucht, sich von ihrer vorgezeichneten Form zu befreien, ist es eine Hit-and-Miss-Affäre, bei der die Sängerin über den Zaun klettert, ein Bein noch in der Vergangenheit hängend, während sich das andere über die Zukunft erstreckt. Ob sie die Lücke schließen wird oder nicht, bleibt abzuwarten.

6.8