Killer Mike – MICHAEL

HipHop/Rap, VÖ: Juni 2023
It is evident/I do better when/I feel like the world against me and think I should never win“, rappt KILLER MIKE in Two Days. Dennoch ist klar, dass MICHAEL von einem Musiker und Aktivisten auf dem Höhepunkt seines Ruhms und seiner persönlichen Entwicklung geschrieben wurde.

Dass Killer Mike ein geschickter Geschichtenerzähler ist – sowohl textlich als auch anderweitig – ist derzeit keine Neuigkeit. Dennoch haben die Vignetten, die er auf „MICHAEL“, seinem ersten Soloalbum seit „R.A.P. Music“ aus dem Jahr 2012, malt, etwas Besonderes. Was darauf hindeutet, dass er, obwohl er bisher wie ein offenes Buch wirkte, noch viel zu verraten hat. Im Mittelpunkt des Albums – das, wie der Titel schon sagt, den Rapper als Mann und nicht als Künstler zeigt – steht „Motherless“. Gebaut um die vielleicht unwahrscheinlichsten Hooklines, schockiert, ehrfürchtig und zerrt die Strenge seiner Texte gleichzeitig die Herzen, während sich der Song am Ende der Laufzeit dennoch als Ohrwurm erweist.

Tatsächlich ist es auch eine seiner größten Errungenschaften, dass es ein so persönliches, herzliches Album ist, obwohl so viele andere Rapper und Sänger mit von der Partie waren. Nehmen wir zum Beispiel „SCIENTISTS & ENGINEERS“, wo der faszinierende Stop-Start-Flow von Andre 3000 einer benommenen Future-Strophe weicht, die von einem Gospelchor untermalt wird. Ein schwächerer Künstler wäre damit zufrieden, eine solche Besetzung auf seinem Track zu haben, aber Killer Mike sieht darin eine Herausforderung („I am a menace that’s moving on vengeance, I promise my opp that my anger is endless / it ain’t enough that I took out my opp and his block, we burned down his whole fucking village“).

Ein wiederkehrendes Thema auf dem Album ist der christliche Glaube: „SHED TEARS“ konzentriert sich darauf, wie Mike’s Glaube an Gott ihm durch schwere Zeiten geholfen hat, und „SLUMMER“ thematisiert seine negativen Gefühle gegenüber der Abtreibung, die mit seinem Liebesleben kollidieren („I was rubbing on your tummy when your mummy asked for money / told me your procedure’s Monday and she gon’ need like 400“). Dies ist auch das erste Mal seit 2011, dass Mike neben El-P konsequent mit Produzenten zusammenarbeitet, und die Beats sind hier ebenso vielfältig wie die Themen. 

Leider basiert zugleich fast jedes zweite Lied auf „MICHAEL“ auf einer ähnlichen Anordnung von Chören, Klavieren und Orgeln, was ermüdend zu werden droht, obwohl seine klangliche Abweichung vom heutigen Mainstream-amerikanischen Hip-Hop erfrischend ist. In diesem Sinne ist das Album ein Seelenverwandter des produktiven britischen Kollektivs Sault, das üppigen R&B und Gospel in seinen vielseitigen Sound integriert. Während „MICHAEL“ seinen Hut sowohl vor dem Hip-Hop der 90er Jahre als auch vor dem Soul der 70er Jahre zieht, der ihn beeinflusst hat, weist es auch auf eine Perspektive hin, die nur aus der Gegenwart von Killer Mike stammen konnte.

7.4