Green Day – Saviors

Rock, VÖ: Januar 2024
Wäre SAVIORS auf zehn oder elf Tracks gekürzt worden, dann würden wir vielleicht von einer der stärksten Veröffentlichungen von GREEN DAY sprechen.

Jeder der 15 neuen Songs von Green Day, aus denen „Saviors“ besteht, dreht sich lose um den amerikanischen Traum, insbesondere um das politische Klima und die düstere Realität des Alltagslebens in den Vorstädten Amerikas. „Don’t want no huddled masss/TikTok and taxes“, singt Billie Joe Armstrong auf „The American Dream Is Killing Me“, dem Eröffnungstrack und erinnert damit an die erste Zeile des Titelsongs aus ihrem Opus „American Idiot“. Abgesehen von den Anspielungen auf Covid und die Gehirnfäule der Jugend fangen die allzu knappen Beschwörungen des kulturellen Moments und die leicht anarchischen politischen Mantras des neuen Albums den Geist der Teenagerangst ein, die die Pop-Punk-Bewegung der 90er Jahre prägte – durch Texte wie „I’m with stupid and I’m all by myself“ (aus „Look Ma, No Brains!“) bewegt sich auf der Grenze zwischen charmant respektlos und erschreckend.

Der Sound des Albums ist ebenso melodisch wie düster und lässt sich von klassischem Cali-Punk, British Invasion-Pop und frühem Rock’n’Roll inspirieren. Tracks wie „Dilemma“ und „Suzie Chapstick“ zeichnen sich durch helle, Beach-Boys-artige Gitarrentöne aus, ergänzt durch Ausbrüche von Pop-Punk-Energie. An anderer Stelle stellt die Band ihre Fähigkeit zur Schau, ihre Einflüsse nahtlos in „One Eyed Bastard“ und „Corvette Summer“ zu verschmelzen, wo die punkigen, verzerrten Gitarrenlicks und die prägnante Lyrik eine Geschmeidigkeit ausstrahlen, die in reinen Aufnahmen von Punkmusik selten zu finden ist. Doch mit seiner nostalgischen Fixierung auf alte musikalische Erinnerungen und Retro-Modestile (stacheliges Haar, dünne Krawatten, Gothic-Make-up) ist das Spielen von Pop Punk in den 2020er Jahren musikalisch, sozial und politisch ungefähr so revolutionär wie die Mitgliedschaft in einer Rockabilly-Tribute-Band. 

Sogar das Coverfoto von Green Day’s 14. Studioalbum wurde 1978 aufgenommen und zeigt eine Szene aus den nordirischen Unruhen, die für die Bandmitglieder oder ihr Publikum von zweifelhafter Bedeutung ist. Green Day, mittlerweile allesamt Familienväter in den Fünfzigern, ist eine Band, die nicht erwachsen werden kann, eine dieser Gruppen, die so konzeptionell ausgefeilt sind, dass sie in endlosen Wiederholungen stecken bleiben. „Saviours“ ist keineswegs ein schwaches oder langweiliges Album, es ist einfach das gleiche Album, das Green Day immer machen. Aber bei Green Day ging es schon immer weniger um musikalische Entwicklung oder Aktivismus als vielmehr darum, zu lachen, während die Welt um sie herum brennt – wie der Junge auf dem Cover. Diese Einstellung hat sie zu Überlebenden im gefährlichen Beruf des Punkrocks gemacht, und das wissen sie. 

7.0