Jackson Browne – Downhill from Everywhere

Rock, VÖ: Juli 2021
DOWNHILL FROM EVERYWHERE setzt die Geschichte von JACKSON BROWNE’s Entwicklung von dem einst jungen, sentimentalen Singer/Songwriter zu einem ergrauten Endzeitpropheten fort.

„I’m still looking for something/I’m out here under the streetlight baby, I’m/Still looking for something in the night“, singt Jackson Browne auf dem Eröffnungstrack „Still Looking for Something“ seines ersten Albums seit acht Jahren. „I’m way out over my due date.“ Es klingt wie ein krasses Eingeständnis, als wäre er genauso überrascht wie jeder andere, dass er mit 72 immer noch aufnimmt. Es ist eine willkommene Rückkehr zur alten Form, dessen Aufnahmen seit der Veröffentlichung von „Looking East“ aus dem Jahr 1996 durch Höhen und Tiefen geprägt sind. Der Song, Browne’s hageres Versprechen von Ausdauer und Möglichkeiten, kommt einem daher auch irgendwie bekannt vor – es ist der willkommener Rückblick auf seine glorreichen Jahre. Hier verfolgt er, mit 72 Jahren, immer noch die gleiche Perspektive, die einen Großteil seines Schaffens seit fast fünf Jahrzehnten beschäftigt – die der Freiheit. Abgesehen davon, dass Browne dieses Mal irgendwie sehr zufrieden scheint und die Ängste seines früheren Ichs ablegt, um mutig zu entscheiden: „If I don’t find it this time/It’s alright.“

Browne’s Ruf hat dazu beigetragen, ihn in der Höhe zu halten. Er war der kunstvollste Songwriter der Westküste der 1970er Jahre, der nicht nur im konfessionellen Stil sein Herz ausschüttete, sondern den unsicheren und zunehmend desillusionierten Weg der Boomer-Generation durch eine Landschaft aufzeichnete, in der der Hippie-Idealismus verdorrt war. Als die Yuppie-Ära eintraf, wuchs er nicht unbedingt mit seinem Publikum – ein erheblicher Teil von ihnen verließ ihn, vermutlich abgeschreckt durch seinen immer schärferen linksgerichteten Ton. Mitte der 80er Jahre gab es wesentlich weniger Abnehmer für Browne’s wütendes und anklagendes „Lives in the Balance“ – obwohl einige zurückkehrten, als er 1993 in „I’m Alive“ die Politik herunter drehte. Trotzdem verkörpert Browne Jahrzehnte später immer noch den klassischen Boomer-Singer-Songwriter, zumindest insofern, als das er seine Zeit damit verbringt, Dinge zu tun, die siebzigjährige Songwriter einer bestimmten Besetzung gerne tun. 

Dazu gehört, sich um die Umwelt zu sorgen, sich laut über die jüngere Generation zu wundern, sich mit globaler Musik zu beschäftigen und das Schreiben von Liebesliedern für eine neue Partnerin, die offenbar wesentlich jünger ist als er: „The years I’ve seen that fell between my date of birth and yours / fade beyond the altered shore of a river changing course“, singt er auf „Minutes to Downtown“. Manche dieser neuen Songs sind herrlich arrangiert, in der schlanken Manier seiner besten Werke der 70er Jahre, und sorgen für Genussmomente aus geschmackvoller Gitarrenarbeit, Folk-Rock-Charme und einfühlsamen Texten, die der aktuellen Position des Sängers auf seinem Lebensweg angemessen erscheinen. Es sind jedoch seine eigenen zugrunde liegenden Unsicherheiten, die ihn am meisten zu quälen scheinen, als ob sein Streben nach Zufriedenheit letztendlich zum Scheitern verurteilt wäre.

Jackson Browne gilt bis heute als eines der mutigsten Talente der amerikanischen Musikgeschichte, seine ersten vier Alben gelten als schlichte Klassiker. „Downhill from Everywhere“ kann diese Magie jedoch nicht reproduzieren, obwohl die ersten drei Tracks nahe kommen. Browne ist ein intelligenter Künstler mit berechtigten Gedanken und Bedenken und immer noch präsent, wenngleich er sich im Laufe der Zeit ein wenig mehr abgenutzt hat.

6.1