Laetitia Sadier – Rooting for Love

Indie Rock, VÖ: März 2024
LAETITIA SADIER richtet einen Aufruf an die traumatisierten Zivilisationen der Erde: Wir werden aufgefordert, endlich unsere unzähligen Jahrtausende des Leidens und der Entfremdung zu überwinden.

Auf „Rooting For Love“, ihrem ersten Soloalbum seit 2017, erkundet Laetitia Sadier von Stereolab Wege zur Heilung der Menschheit, inspiriert von ihrem Zen-Shiatsu-Training und den Worten von Véronique Vincent von The Honeymoon Killers. Die Botschaft ist klar: Methoden der Selbstverbesserung und die Beschäftigung mit Kunst und Kultur sind die einzige Möglichkeit, tief in unser Inneres vorzudringen und den Müll rauszulassen. Mit anderen Worten: Selbstfürsorge muss keine narzisstischen oder Hippie-Konnotationen haben, sie kann radikal sein – insbesondere in einer Welt, in der die Ideologien des Kapitalismus auf Selbsthass basieren. Und wenn es gemeinsam geschieht, könnte es sogar die Welt verändern. Doch in den sieben Jahren zwischen diesem Album und „Rooting for Love“ entfernte sich die Gesellschaft noch weiter von ihren Idealen, was sich in der Dringlichkeit widerspiegelt, die Sadier diesen Liebesliedern für das Potenzial der Menschheit für das Gute beimisst.

Manchmal schlägt diese Dringlichkeit in Frustration um: „You need a good slap“, singt sie in „Don’t Forget You’re Mine“, dem möglicherweise gesprächigsten und konfrontativsten Lied, das sie je geschrieben hat. Auf „Cloud 6“ ist sie das Universum, das unverblümt daran erinnert, dass das Leben zum Leben da ist („I’m not fucking around“). Der überwältigende Reichtum von Sadier’s Stimme passt zur überraschenden Offenheit des Songwritings von „Rooting for Love“, insbesondere wenn sie von der Gruppe männlicher und weiblicher Sänger unterstützt wird, die als „The Choir“ bekannt ist. Der majestätische Call-and-Response-Gesang lässt auf „Who + What“ die Kraft erkennen, die nötig ist, um sich von überkommener Weisheit zu befreien und sich der Selbsterkenntnis zuzuwenden, einem von mehreren Momenten, in denen sich das Album eher wie das Erleben eines Rituals als wie eine Reihe von Liedern anfühlt.

In der Vergangenheit gab es kaum einen erkennbaren Unterschied zwischen einem Stereolab-Album und einem Laetitia Sadier-Album, so unverwechselbar ist ihre Stimme – aber hier zeichnet sich „Rooting For Love“ durch die offene Kommunikation und die Dringlichkeit ihres Vortrags aus. Je mehr Zeit man damit verbringt, desto mehr musikalische und lyrische Wahrheiten kommen ans Licht – und desto mehr kann man die komplizierten melodischen Bewegungen und die dichten harmonischen Verschiebungen schätzen. Am wichtigsten ist, dass Sadier ihr Ziel erreicht und ein echtes musikalisches Gegenmittel zu den kulturellen Narben und Traumata bietet, die wir in den letzten Jahren mit uns herumgetragen haben.

8.3