Kelly Lee Owens – Kelly Lee Owens

Electronic, VÖ: November 2017
In der elektronischen Musik sind Debütalben oft ästhetische Statements. Sie sind erste Zeichen für einen bestimmten Stil oder eine bestimmte Technik und Bekenntnis zu diesem oder jenem Subgenre. Das Debüt der walisischen Musikerin KELLY LEE OWENS fühlt sich persönlicher an.

Die 28-jährige Musikerin Kelly Lee Owens sang in Chören und versuchte sich an Bass und Schlagzeug. Anfang 20 machte sie ein Praktikum bei XL Recordings, spielte in der Indie-Rock-Band History of Apple Pie und arbeitete in Plattenläden. Dort lernte sie die Kollegen Daniel Avery und Ghost Culture kennen, die sie ins Studio brachten und ihr den Anstoß gaben, ihre eigene Musik in die Welt zu bringen. Aber ihr selbst betiteltes Debütalbum fühlt sich nicht wie ein Debüt an. Ihre Songs fühlen sich nicht so sehr wie das Produkt ihrer Erfahrungen an, sondern machen einen schwer zu messenden Sprung über sie hinaus – eine Flaschenpost, die irgendwo in der Zukunft zurückgekehrt ist. „Kelly Lee Owens“ ist das Werk eines absoluten Naturtalents; Dies sind vielschichtige, atmosphärische Tracks, die minimalen Techno, Dream-Pop, Krautrock und Ambient zu einem schillernden, alchemistischen Ganzen verschmelzen, das sich einer einfachen Kategorisierung widersetzt.

Es ist Owens‘ Geschick für Arrangements, das hier am deutlichsten hervorsticht. Bei „Bird“ zum Beispiel beginnt sie mit einem einfachen, subtilen perkussiven Herzschlag und langgezogenen Streichern, bevor sie eine perfekte Kalimba-Phrase einbringt. Sie lässt diesen fesselnden Mix geduldig verweilen, sodass er sich nachdrücklich anfühlt, als ihn eine Minute später ihre summende, treibende Basslinie und ein Hi-Hat/Snare-House-Beat auf die Tanzfläche bringen. Auch „Keep Walking“, obwohl es manchmal etwas zu sehr nach „Teardrop“ von Massive Attack klingt, ist ein großartiger Song. Seine Produktion ist wunderschön, seine Atmosphäre alldurchdringend, aber was wirklich seine anhaltende Kraft verleiht, ist die zentrale Gesangslinie. 

Die Art und Weise, wie der Track anschließend beinahe nahtlos in „8“ übergeht, der flüssige, elegische Schluss der Platte, ist atemberaubend und in vielerlei Hinsicht mikrokosmisch für das Album als Ganzes: eine Meisterklasse in der Navigation des Tanzbaren, Zugänglichen und Herausfordernden deren beste Ergebnisse durch die sorgfältige Kompliziertheit ihrer Komposition erreicht werden. Owens‘ Anziehungskraft auf das emotionale Potenzial von Sound ist ein Thema, das vielleicht mit den Einflüssen von Daniel Avery auf der Platte kollidiert, aber sie hat dennoch ein Debüt produziert, das voller Tiefe ist und eines, das die Bandbreite elektronischer Musik über den Club hinaus aufdeckt.

8.1