Jayda G – Guy

Alben der WocheElectronic, VÖ: Juni 2023
Trotz des teilweise düsteren Charakters erweist sich das neue Album von JAYDA G letztendlich als ein erhebendes und positives Erlebnis, sowohl musikalisch als auch hinsichtlich der Botschaft, die es vermittelt.

Jayda G’s Vater, William Richard Guy, starb kurz vor ihrem zehnten Lebensjahr. In den Monaten vor seinem Tod nahm er mit Hilfe von Jayda G’s älterer Schwester 11 Stunden Videobänder auf, die seine Geschichte – sein eigenes Tagebuch seines Lebens – für seine jüngste Tochter dokumentierten. Guy ist das Ergebnis von Jayda G’s Wunsch, mehr über ihren verstorbenen Vater zu erfahren und seinen Charakter besser zu verstehen. Das Album besteht aus Ausschnitten seiner Aufnahmen, wobei jeder Titel entweder von einem bestimmten Kapitel seiner Geschichte oder von etwas inspiriert ist, das sie während dieses Prozesses über sich selbst gelernt hat. „This album is about him and for me“, schrieb sie auf Instagram. „I needed this. It gave me perspective, understanding and depth to myself and my outlook on life and family.“ Die Tonbänder von William Guy bewahren nicht nur seine Lebensgeschichte, sondern dokumentieren auch seine Erfahrungen als junger Afroamerikaner in einer überwiegend weißen Gegend von Kansas.

Ihr zweites Album auf Ninja Tune enthält konventionelle Songstrukturen und klingt an verschiedenen Stellen im Vergleich zu ihren vorherigen Arbeiten deutlich poporientiert. Jayda steht auch stimmlich im Mittelpunkt wie noch nie zuvor, und die vorveröffentlichte Single „Scars“ demonstriert dies mit gurrenden Topzeilen über die raue Erziehung ihres Vaters („Paint the bars of the cage but I won’t stay forever / Calluses remain from tearing up all these rules / Now I will not suffer fools“). Begleitet wird dieser Auftritt von der Art von schwerem Bass und Handpercussion, die man von einer funkigen House-Platte erwarten würde, mit einigen warmen Orgelakkorden, die das Arrangement bereichern. In einer Musiklandschaft, die immer mehr mit Disco-Hommagen übersättigt wird – man denke an die neueste Version von Dua Lipa und hört, wie ein Trend stirbt – zeichnet sich „Guy“ durch die Liebe zum Detail auf der Produktionsseite aus. 

Bei „Blue Lights“ tauchen die Toms aus dem Mix auf und rattern mit, als würde ein Session-Musiker dem Track spontan seinen eigenen Schwung verleihen. „Your Thoughts“ beschwört einen Midtempo-Groove der 80er Jahre mit Hall-Spritzern und einer Neonreklamen-Hook herauf ( „Your thoughts, my life / They coincide / My thoughts, your life / See how things repeat themselves with time“). “I wanted the album to be a blend of storytelling, about the African American experience, death, grief, and understanding,” erklärt Jayda. “It’s about my dad and his story, and naturally in part my story, too, but it’s also about so many people who wanted more for themselves and went on a search to find that. This album is just so much for people who have been oppressed and who have not had easy lives.” Es ist verständlich, dass Jayda G nach dem durchschlagenden Erfolg von „Significant Changes“ aus dem Jahr 2019 etwas Neues ausprobieren wollte.

Letztlich ist „Guy“ thematisch noch stärker gebunden, und seine Struktur aus Popsongs, die mit Interviewausschnitten verflochten sind, lässt es etwas essayischer wirken als das Debüt, das nach einem Satz benannt wurde, den Jayda oft in ihrer Abschlussarbeit verwendete. Dennoch gelingt es Jayda hervorragend, zutiefst persönliche Geschichten mit zugänglicher Musik zu verbinden. Die Platte ist eine Errungenschaft der Pop-House-Produktion, und Jayda’s Auftritt ist durchweg tiefgreifend und mitreißend – es ist eine starke Anstrengung und eine entscheidende Weiterentwicklung in ihrer sich ständig verändernden Karriere.

8.9