Dear Reader – Rivonia

Indie PopPop, VÖ: Februar 2013
Auf dem dritten Studioalbum RIVONIA von DEAR READER ist kein Platz für persönliche Interpretationen. Dies ist eine Aufzeichnung über die Erfahrung der in Südafrika geborenen Cheri MacNeil, im enormen Schatten der Apartheid zu leben, ihre Sicht auf die Vergangenheit ihres Landes und wie subjektiv und unzuverlässig Geschichte sein kann.

Die Südafrikanerin Cherilyn MacNeil, besser bekannt als Dear Reader, hat ein wirklich gelungenes neues Album aufgenommen und dabei hören wir auch eine eher untypische und persönliche Klangsprache von MacNeil. Was einem wohl bei Betrachtung des Tracklisting als erstes auffallen wird, ist das Datum ‚ 27.04.1994 ‚ im vierten Stück. Sie besingt darin den glorreichen Moment der ersten freien Wahlen nach dem Ende der Apartheid. Musikalisch gesehen erleben wir einen silbrigen und sanft ansteigenden Höhepunkt, der von einfachen Arrangements getragen wird und damit die erzählende Geschichte ungeteilt in den Vordergrund rückt. ‚ Man Of Book ‚ nutzt dagegen ganz andere Ansätze als die restlichen Songs der Platte und versprüht ein Folk-Gefühl, während Cherilyn MacNeil die Geschichte über ihren Ur-Ur-Ur-Großvater erzählt, der mit Mahatma Ghandi in Südafrika zusammenarbeitete.

Wenn wir zum eröffnenden Stück ‚ Down Under, Mining ‚ zurückkehren, erleben wir einen ominösen und rhythmischen Angriff auf die Ungerechtigkeit des weißen Mannes, mehrere Gesangslinien wiederholen ihre empörten Schmerzensschreie gegen „town of Johannes“ und nehmen dabei schwungvolle Energien auf. ‚ Good Hope ‚ begeistert durch das schöne Piano, den beeinflussenden Chören und erklingt wie eine Mischung aus melancholischem Seemannslied und bomastischer Filmmusik. Ein weiterers Highlight ist ‚ Already Are ‚ als akustisches Wiegenlied und zeigt uns nochmals die enorme musikalische Abwechslung auf diesem Album – aber nicht inhaltlich. Das Problem bei der Auswahl eines so ernsten Themas, und trotz der klugen Herangehensweise die Dinge aus einer persönlichen Perspektive zu betrachten, ist die gefühlte Gezwungenheit dahinter. Manchmal entstehen dadurch lyrische Klischees, wenn MacNeil über Ungerechtigkeit und Freiheit singt.

Doch letztlich stört es nur wenig den ungehinderten Genuss an dieser Platte und irgenwie hat es die Südafrikanerin geschafft, trotz der ernsten Thematik einen gewissen grundlegenden Optimismus in die Strophen zu legen. Dazu die authentische und herzliche Stimme, die ein abschließendes Mal im Stück ‚ Victory ‚ zusammen mit einem Chor als a capella Version für einen spektakulären Abgang sorgt. Es ist eine „Anti-Battle–Hymne“ zweier Kriegs-Parteien, die sich ihren Siegeswillen zusichern, im festen Glauben, dass ihr „Gott“ nur auf ihrer Seite ist. “You pray to your God and I’ll pray to mine/And we’ll see whose God is listening this time…Saddle up the horses/Give us the victory/Give us the victory/Give us the victory/Saddle up the horses/Give us the victory/And if he does not we will join him…”

8.6