Arcade Fire – Everything Now

Indie PopIndie Rock, VÖ: Juli 2017
Im Rückblick ist EVERYTHING NOW weniger ein Fehltritt als vielmehr eine Ohrfeige, da jede falsche Note mit der gleichen Präzision getroffen wird, mit der ARCADE FIRE bei FUNERAL jede Note richtig getroffen haben.

Das neue Album von Arcade Fire ist ein kompositorisches Durcheinander, irgendwie sowohl unentgeltlich moralisierend als auch moralisch abstoßend, langweiliger als das Betrachten bereits getrockneter Farbe. Doch alles in Anbetracht des Rückblicks auf eine steile Karriere. Während „Reflektor“ aus dem Jahr 2013 mit ein bisschen mehr Zeit noch großartig hätte werden können, blieb es lediglich eine gute Platte, bei der die Band einen elektronischen Stil voll und ganz annahm und es ihr gelang, sich gegenüber der dunklen Energie von „The Suburbs“ oder „Neon Bible“ klar zu positionieren. 

Vier Jahre später war es ein wenig enttäuschend, als sich die erste Single aus dem neuesten Album sowohl musikalisch als auch thematisch als Neuauflage von „Reflektor’s“ Titeltrack anfühlte – abgesehen vom ABBA-Einfluss. Und in der Tat ist dies das Hauptproblem bei „Everything Now“ – es ist das erste Mal, dass sich das neue Material von Arcade Fire wie eine verminderte Rückkehr dessen anfühlt, was vorher einmal war. Vielleicht war das auch unvermeidlich: Arcade Fire haben unzählige Meter in ihrer vielseitigen Karriere zurückgelegt, dass es kein Wunder ist, dass sie sich irgendwann wiederholen mussten.

„Everything Now“ ist dabei in einem lyrischen und musikalischen Stillstand gefangen. Konzeptionell überschreiten die Songs nicht ihre Gesellschaftskritik, sie erliegen ihr. Musikalisch haben sie keinen Schwung, sie bekämpfen einfach die Trägheit. Die wärmere hintere Hälfte der Platte befindet sich im Krieg mit sich selbst und versucht, echte Gefühle aus Arrangements herauszuholen, die topografisch langweilig sind und viel länger als nötig durchgeschleift werden. „Everything Now“ ist das erste unbedeutende Album von Arcade Fire, was angesichts ihrer illustren Diskographie eine sehr ernste Angelegenheit ist.

3.5