Allison Moorer – Miss Fortune

Classic AlbumsCountry, VÖ: August 2002
Jeder, der den Namen ALLISON MOORER nicht kennt, ist es sich selbst überlassen, ihr Talent auszuprobieren, und MISS FORTUNE ist ein ausgezeichneter Ausgangspunkt.

Kein Wunder, dass Allison Moorer sich dem Produzenten Tony Brown anschloss, als dieser MCA Nashville verließ, um das vermeintlich angesagte Label Universal South zu gründen. Moorer machte unter Brown’s Aufsicht bei MCA zwei Alben mit vollkommen gefühlvoller Musik, obwohl „A Soft Place To Fall“ im Film „The Horse Whisperer“ landete, erwiesen sich die Aufzeichnungen der gebürtigen Musikerin aus Alabama als zu ausgefallen für das Country-Radio. Moorer’s Lieder, von denen die meisten gemeinsam mit ihrem Ehemann Butch Primm geschrieben wurden, waren einfach zu roh und persönlich, als dass sie diskret von und zu den allgemeinen Aufbruchhymnen übergehen könnten, die die Country-Playlists dominieren.

Ebenso fesselnd ist Moorer’s herrischer Alt – ein kehliges, unbestreitbar südländisches Instrument, von dem manche sagen, dass es an Cher erinnert, das aber auch die Cottonfield-Seele von Bobbie Gentry, Tanya Tucker und Sammi Smith heraufbeschwört. Auch Moorer’s Missachtung stilistischer Grenzen bedroht die Hegemonie von Nashville’s nischenbesessener Hitschmiede. Geschichtsbewusst und dennoch zukunftsorientiert erinnert ihr Synkretismus an das goldene Zeitalter des AM-Radios der 60er Jahre, als Country-, Pop-, Rock- und Soul-Singles routinemäßig in denselben Charts auftauchten, was von einer musikalischen Verwandtschaft zeugt, die es in der Popmusik seitdem nicht mehr gegeben hat.

Auf ihrem dritten Album mit dem ironischen Titel „Miss Fortune“ geht Moorer nicht einfach über die Grenze; mit Unterstützung des Nashville-Produzenten/Svengali R.S. Field hätte sie die Country-Musik genauso gut ganz aufgeben können. Die Arrangements der Platte, die stark auf Pedal Steel, B3 und einer Mischung aus bulligen und glockenartigen E-Gitarren basieren, sind immer noch ziemlich urig. Der Punkt ist, dass Moorer beabsichtigt, über ihre Identifikation mit dem traditionellen Country hinaus in einen persönlicheren und vielfältigeren Bereich vorzudringen, in dem sie die volle kreative Kontrolle ausübt. 

Aber: Dies ist ein Country-Album, doch ähnelt es eher dem, was die Musik hätte werden können, als dem, wo sie in ihrer aktuellen Flaute versunken ist. Als honigfarbene und ausdrucksstarke Sängerin scheint sich Moorer eher mit langsamerem, nachdenklichem Material zurechtzufinden. Dann gibt es noch die Orchesterbegleitung von „Cold In California“, ein mutiger Schachzug, der dem Song einen mitreißenden filmischen Schwung verleiht. Dann nehmen wir noch den Schlussteil „Dying Breed“ im Kurt-Weill-Stil und wir haben eines der am wenigsten vorhersehbaren Country-Alben des Jahres. Besonders neben Shelby’s letzter Platte. Mach weiter so, kleine Schwester – mach nicht das, was deine große Schwester getan hat.

7.6