Wenn Geologie zum Klang wird und Bewusstsein in Schichten zerfällt: LUCRECIA DALT erschafft auf ANTICLINES ein akustisches Terrain zwischen Wissenschaft, Körper und Mythos das zugleich hypnotisch und unerbittlich analytisch wirkt.
Lucrecia Dalt hat ihre Disziplin nicht hinter sich gelassen, sie hat sie transformiert. Die kolumbianische Musikerin, einst Geotechnikerin, arbeitet auf „Anticlines“ mit denselben Prinzipien wie im Labor: Druck, Verschiebung, Sediment. Nur dass sich die Schichten hier nicht aus Gestein, sondern aus Frequenzen und Sprache zusammensetzen. Dalt erforscht die Beziehung zwischen Materie und Geist, zwischen Erdkruste und Identität. Was früher noch als abstrakter Drone begann, ist nun zu einem präzise kalibrierten System aus Stimme, Puls und Stille geworden. In „Edge“ spricht sie von einem mythischen Wesen, das Körper aufbläst, bis nur noch Luft bleibt: eine groteske Metapher für Auflösung, aber auch für Wiedergeburt. Ihr Sprechgesang wirkt klinisch, beinahe unnahbar, doch hinter dieser Präzision liegt eine seltsame Intimität.
Die Struktur des Albums erinnert an ein geologisches Diagramm. Jedes Stück funktioniert wie eine Falte im Sediment: minimal, kontrolliert, doch voller innerer Spannung. „Tar“ zieht die Zeit auseinander, bis sie zäh wird, während „Atmospheres Touch“ das Paradox einer Berührung beschreibt, die keine Oberfläche kennt. Über den leisen, metallisch vibrierenden Synthesizern entfaltet sich Dalt’s Stimme wie eine seismische Welle. Sie flüstert, zitiert, verschiebt sich ins Künstliche, als würde sie ein Echo aus einer anderen Dimension sprechen lassen. In Momenten wie „Errors of Skin“ nähert sich ihre Poesie der Grenze zwischen Körper und Idee, zwischen Haut und Bedeutung.
Das Cover mit seinem leuchtenden Gelb und den gebrochenen Felsformen spiegelt diese Dualität: Bewegung gegen Statik, Form gegen Auflösung. Nichts bleibt unverändert. Dalt verwandelt geologische Prozesse in musikalische Metaphern. Ihr Minimalismus ist kein Rückzug, sondern eine Methode der Verdichtung. Dennoch bleibt „Anticlines“ ein hermetisches Werk, das seine Emotionen verschlüsselt. Es fordert geduldiges Hören, kein Album für rasche Erleuchtung, sondern eines, das in seiner Kälte und Konsequenz Größe zeigt.
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