Lucius – Wildewoman

PopRock, VÖ: Oktober 2013
Die Damen von LUCIUS singen bei Two Of Us On The Run, dass es “are no races, only runners”. Musikjournalismus fühlt sich oft wie ein Hamsterrad an, dessen primäres Ziel die ständige, oft scheinbar vergebliche Suche nach der nächsten großen Neuheit ist. Vergessen wir also das Rennen und schätzen die Läuferinnen; Schauen wir in diesem Fall über die visuellen Affektionen hinaus und schätzen ein unvergleichliches und bewegendes Album, von der Anfangszeile bis zum Ende.

„the best band you may not have heard yet“, steht dort auf dem Artwork zum Debüt ‚ Wildewoman ‚ von Lucius geschrieben. Die dazugehörige Kritik zum Album hat der Rolling Stone aber dann nur in das obere Mittelfeld gehoben. Irgendwie ein bisschen inkonsequent und fragwürdig. Dabei ist die zittierte Textpassage einzeln gesehen absolut gerechtfertigt. Sixties-Girl-Group Sounds im Indie-Rock Bereich formieren sich in diesen Tagen zahlreich, doch klang dabei selten eine Gruppe so frisch und spannend wie Lucius aus Brooklyn. Jess Wolfe und Holly Laessig haben verdammt gute Stimmen und nutzen diese auch direkt im eröffnenden Titeltrack maßgeblich aus. ‚ Wildewoman ‚ ist zudem wunderschön geschrieben, perfekt produziert und frei von jeglichen Fehlern. Und das ist eben auch das faszinierende an Lucius. Im Kern könnte man die Damen schlicht als Retro-60s-Girl-Group abstempeln, aber damit kratzt man noch nicht einmal bemerkenswert an der Oberfläche.

Lucius verstreuen überall Elemente aus Twang, Fuzzy-Pop und Soul. Mit ‚ Go Home ‚ hat es begonnen, mit ‚ Turn It Around ‚ ging es weiter und bei ‚ The Two Of Us On The Run ‚ hat man den brillanten Höhepunkt der Platte erreicht. „She’s gonna find another way back home, it’s written in her blood, oh, it’s written in her bones, oh, she’s rippin’ out the pages (rippin’ out the pages) in your book, she’ll only be bound by the things she chooses.” So heißt es im berührenden ‚ Go Home ‚ und die Texte sind schlicht so passend, wenn es um den Schmerz einer Trennung geht und um die anschließenden Schwierigkeiten, die Folgen zu verarbeiten. ‚ Turn It Around ‚ zeigt eine überraschende Vielfalt und einen Individualismus, der weit über die zeitgenössische Kunst hinausführt.

Und dann wäre da eben noch ‚ The Two Of Us On The Run ‚ als weiches Schlaflied im sanften Folk-Pop Gewand, dass zu kletternden Gesangsharmonien und süßen mehrstimmigen Gesängen von der klimpernden Gitarre begleitet wird – und letztlich in einem der besten Chöre des Jahres sein Ende findet. Lucius erstrecken ‚ Wildewoman ‚ zu einer völlig unkonventionellen Platte, entwickeln in jedem Song ein sehr sorgfältig aufgehendes Songwriting, zuckern dieses mit exzellenten Instrumentierungen und mischen es abschließend mit der exzentrisch, expansiv ausgeleuchteten Grundlage aus Elektronik, Fuzz-Gitarren, Kammereffekten und Schnellfeuer-Percussions. Ja Ihre Arbeit im Studio ist beachtenswert – aber sind Lucius eine Band, die unbedingt live erlebt werden muss.

8.3