LOLA YOUNG’s schonungslose Mixtur aus brüchiger Intimität, rotzigem Alt-Pop und direkter Selbstentblößung: I’M ONLY FUCKING MYSELF dekonstruiert Ruhm, Sucht und Sex als theatralische Waffe gegen Selbsterkenntnis und bleibt dabei musikalisch überraschend dicht, roh und vielseitig.
Lola Young liefert auf „I’m Only F**king Myself“ ein lautes, vergängliches Potpourri aus Selbstsabotage, triumphaler Vulgarität und echten Momenten der Einsicht. Die Süd-Londonerin, die nach dem viralen Erfolg von „Messy“ und einer offen gestandenen Entzugsphase in ein grelles Rampenlicht trat, nutzt nun genau dieses Licht, um zu sezieren, was unter dem Glanz liegt: Narzissmus, Transaktionen in Beziehungen, Sehnsucht nach Kontrollverlust. Musikalisch hangelt sich das Album zwischen fuzzigen Alt-Rock-Riffs und schleifenden, poporientierten Hooks, wobei Produktionen von Manuka und Solomonophonic sonore Texturen und psychedelische Einwürfe beisteuern. Lola Young’s Stimme bleibt das zwingende Zentrum: mal kratzig, mal vibrato-geladen, mal in einem fast theatralischen Crescendo, das an BRIT-School-Alumni wie Adele erinnert, ohne je weich zu werden.
Texte wie „I just wanna fuck guys who don’t like me, they don’t mind“ aus „F**K EVERYONE“ funktionieren als provozierende Refrains und zugleich als diagnostische Steckbriefe: Hier sitzt nicht nur Provokation, hier sitzt ein innerer Riss, der vom Publikum ebenso komisch wie schmerzlich beobachtet werden darf. Auf der zartesten Achse des Albums steht „Post Sex Clarity“, wo eine verletzliche Croon-Phrase („When I’m lyin’ in bed, got post-sex clarity / I still love you, and I don’t know why“) einen schrittweisen Kontrapunkt zur rabiaten Selbstdarstellung bietet. In „Not Like That Anymore“ findet sich der nüchterne, beinahe trotzig optimistische Blick auf Recovery: „At least I’m not fucking myself anymore, not anymore“ – eine Zeile, die sowohl Selbstironie als auch Fortschritt transportiert.
Das Cover, auf dem Lola Young eine aufblasbare Puppe mit ihrem eigenen Gesicht umarmt, ist weit mehr als ein Gag. Die puderrosa Oberfläche mit ihrem künstlichen Schimmer und die verdoppelte Physiognomie verweisen auf Kommerzialisierung, Selbstentfremdung und eine absurde Form der Selbstinszenierung, die im Album wiederkehrt. Musikalisch spannt sich der Bogen von den verspielt-ironischen Arcade-Beats in „d£aler“ bis zur balladesken Wucht von „SPIDES“, wo Verletzlichkeit und Nähe unüberhörbar werden. Lola Young zeigt sich dabei ambivalent, mutig und manchmal kalkuliert schockierend – eine bewusste Entscheidung, die Unvollkommenheit nicht zu verschweigen, sondern offenzulegen.
Wer sich auf diese Mischung einlässt, begegnet einem Werk, das weder in reiner Provokation aufgeht noch in therapeutischer Reinwaschung endet. Es wirkt vielmehr wie ein Sprung ins grelle Jetzt, mit Narben, Widersprüchen und der seltenen Bereitschaft, Konsequenz und Zerfall gleichermaßen sichtbar zu machen.
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