Arctic Monkeys – Tranquility Base Hotel & Casino

Indie Rock, VÖ: Mai 2018

Zu den Vorgeschichten und persönlichen Erinnerungen an die Arctic Monkeys kann wohl beinahe jeder etwas beisteuern. Bei mir war es das Frequency Festival am Salzburgring im Jahr 2006. Dort sah ich das erste Mal die Herrschaften auf der Bühne spielen – und das am Nachmittag. Heute eigentlich gar nicht mehr vorstellbar. Davor spielten die Editors, danach kamen die Kaiser Chiefs, Mando Diao, The Prodigy und als Headliner Franz Ferdinand. Gemeinsam mit den Editors dürfte man nun im Jahr 2018 (evtl. Franz Ferdinand (noch) ausgenommen) bei den Arctic Monkeys bis zum Schluss warten. Diese Historie in Relation gesehen, sagt einiges über die konstante Qualität der Band aus Sheffield aus.

Vielleicht mag das auch mit den Wandlungen zu tun haben, die sich die Artic Monkeys auf jedem Album unterzogen haben. Angefangen bei den rauflustigen Emporkömmlingen auf ihren frühen Platten über Desert Rock auf „Humbug“ mit Josh Homme bis hin zum Aufstieg des Gitarren-Rock-Olymps auf „AM“ im Jahr 2013. Aber das sind die Arctic Monkeys, wie ich sie noch nie zuvor gehört habe. Wenn es jemanden geben sollte, der in „Tranquility Base Hotel & Casino“ auf der Suche nach Hymnen in Festivalgröße ist – wird eine Enttäuschung erleben. Zugegebenermaßen kann dieses 11-Song-Erlebnis ziemlich überwältigend wirken und möglicherweise die angesprochene tiefe Enttäuschung sein. Es ist theatralisch. Lieder reisen und fallen in denkwürdige Melodien, aber es gibt keine echten Verpflichtungen zu einem Refrain. Die meisten Songs haben kein Ende, gehen schlängelnd Ihres Weges bis Turner nichts mehr zu sagen hat. Es ist eine absolute Zertrümmerung dessen, was die Arctic Monkeys eigentlich auszeichnet.

In Interviews sagte Turner, dass es ein Konzeptalbum ist, basierend auf der Idee eines teuren Luxusresorts auf dem Mond – genau an der Stelle, wo die Mondlandung von 1969 stattfand. Das ist eine witzige Idee, eine voller Bilder von ökologischer Degradierung und tiefer Trennung zwischen Klassen und selbstzerstörerischer Dekadenz. Aber das Problem ist, dass Turner sich während des ganzen Albums in seinen eigenen lyrischen Nebenstimmen, in Abschweifungen und Halbgedanken verliert. „Tranquility Base Hotel & Casino“ stellt eine totale Linkskurve dar, und das ist sicherlich ein mutiger Schritt, vielleicht ein zu bewundernder und doch entspricht das Setting aus meiner Sicht mehr einer verblassten Vegas-Show-Bar. Textlich kann also über die Qualitäten auf den neuen Songs diskutiert werden und auch wenn es sich nicht sofort anfühlt, bewohnt die DNA der Monkeys diese neuen Lieder.

„Golden Trunks“ hat so ein raues und grüblerisches Riff wie alles auf „AM“ und Songs wie „Science Fiction“ und „Batphone“ tragen ein ausgeprägtes „Humbug“ -Gefühl in sich. All diese Elemente führen zu einer Platte, die zweifellos vertraut, neu, unerwartet und konzeptionell interessant ist. Es gibt wirklich brillante Momente und Facetten, die in „Tranquility Base Hotel & Casino“ verstreut wurden. Die klassisch klingende Akkordfolge, die „One Point Perspective“ untermauert, oder die summenden Harmonien und der Chorus (eine Seltenheit hier) auf meinem persönlichen Highlight „Four Out Of Five“. Aber nur allzu oft muss man wirklich daran arbeiten, diese Songs voneinander zu trennen.

Es gibt wenig Veränderung im Tempo und wenige Hacken zwischen dem aufgehübschten Glamour. Für eine Band, die einige der größten Ohrwürmer des letzten Jahrzehnts geschrieben hat, gibt es verwirrend wenig, an dem man sich hier festhalten könnte. Vielleicht benötigt es dieses Mal auch einfach nur echtes Engangement vom Hörer – als Test getarnt – wie groß die Hingabe der eigenen Anhänger wirklich ist. Ich finde es trotzdem schade, dass irgendwie auch nach mehrmaligen Hören nicht mehr bei herumkommt. Respekt hat dieses Album trotzdem verdient, denn eine spannende Frage bleibt auch weiterhin im Schatten der Dunkelheit verborgen: Wer zum Teufel sind die Arctic Monkeys?

7.4