Zwischen sakralem Lärm und brennender Intimität entfaltet ANNA VON HAUSSWOLFF auf ICONOCLASTS ein fieberhaftes Klanggebilde aus Licht, Verlust und Selbstbefragung das Pop und Abgrund in ein einziges Beben verwandelt.
In „ICONOCLASTS“ stößt Anna von Hausswolff ihr eigenes Erbe ab, um aus den Trümmern eine neue Sprache zu formen. Die Schwedin, die einst als Grenzgängerin zwischen Drone, Doom und Kirchenraum galt, lässt das Sakrale diesmal von Jazz und orchestraler Exzessivität durchleuchten. Schon der eröffnende Instrumentalbrocken „The Beast“ kündigt diese Verschiebung an: das Saxophon von Otis Sandsjö wirkt wie ein Tier, das durch Metallgitter atmet, während der Orgelton schneidend aufblitzt. Von Hausswolff bleibt Architektin der Überwältigung, doch sie kanalisiert sie neu – weniger Beschwörung, mehr Entblößung.
In „Facing Atlas“ ringt sie mit der Sinnlosigkeit eines entgleitenden Daseins: „The world is full of shit and full of evil“, singt sie, eine Zeile, die zugleich Anklage und Selbstvergewisserung bleibt. Hier zeigen sich die Stärken des Albums: melodische Klarheit im Angesicht des Chaos, eine Stimme, die nicht mehr schreit, sondern wie von innen brennt. „The Whole Woman“, ihr Duett mit Iggy Pop, verwandelt das Sakrale in körperliche Schwäche. Sein brüchiges Timbre und ihre leuchtende Falsettlinie begegnen sich wie zwei unterschiedliche Versionen von Verfall – berührend, aber ohne Pathos.
Am eindringlichsten wirkt „Aging Young Women“ mit Ethel Cain: ein Gebet über das Verblassen weiblicher Zukunft, getragen von Orgel, Stille und kaum greifbarer Nähe. Diese Komposition atmet Zeit, während „Struggle with the Beast“ sie sprengt: fast neun Minuten brodelnder Jazzrock, der in kontrollierte Raserei übergeht. Die Platte bleibt ungleichmäßig – zu lang, zu dicht, manchmal selbstverliebt – doch gerade diese Maßlosigkeit macht sie faszinierend. In „An Ocean of Time“ verschmelzen Orgel und Elektronik zu einer düsteren Trance, bis Maria von Hausswolff’s Stimme im Finale „Unconditional Love“ eine unerwartete Wärme hineinträgt.
Das Cover – ein Schwarzweißporträt mit verstörend weißen Augen und Splittern im Lächeln – rahmt dieses Werk präzise. Unschuld und Entstellung, Licht und Fäulnis, Schönheit im Zustand der Bedrohung. „ICONOCLASTS“ will keine Erlösung, sondern das Durchleben der Dunkelheit, um ihr Form zu geben. Eine Erschütterung, kein Trost.
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