
ADULT MOM
Es gab in den letzten Jahren viele Platten, die traurig sein wollten. Und dann kam NATURAL CAUSES von ADULT MOM – und plötzlich klangen sie alle wie Emo-Karaoke auf TikTok. Dieses Album hier? Es ist echt. Unverschämt ehrlich. Es tut weh – und das im besten Sinne.
Adult Mom, inzwischen ein vollständiges Quartett rund um Stevie Knipe, liefern mit ihrem vierten Album ein Werk ab, das klingt wie ein alter Walkman, der einem zwischen den Fingern zerbröselt, während man versucht, nicht schon wieder an die toxische Beziehung zu denken, die einem noch immer die Träume klaut. Musikalisch? Jangle-Pop mit Post-Folk-Kante, R.E.M.-Referenzen in der Ecke, Lucinda Williams in der Seele, aber mit einer Klarheit, die man sich früher auf jeder College-Rock-Compilation der frühen 2000er gewünscht hätte.
Die Tracks – allen voran „Crystal“, „Door Is Your Hand“ oder das herausragend fragile „Benadryl“ – sind keine Songs, sie sind Gesprächsfetzen aus Therapiesitzungen, durchzogen von Galgenhumor und brutal ehrlicher Selbstanalyse. Wenn Knipe darüber singt, dass sie „mit den Krankenschwestern lästert“ oder „darauf wartet, dass jemand einschläft, um endlich weinen zu können“, dann ist das so entwaffnend direkt, dass man fast vergisst, wie schön die Musik eigentlich darunter klingt.
Dabei ist „Natural Causes“ kein Konzeptalbum über Krankheit – sondern ein Album über das Überleben. Über das Sich-selbst-Wiederzusammensetzen, Track für Track, Erinnerung für Erinnerung. Es behandelt nicht nur die körperliche Genesung nach einer Krebsbehandlung, sondern auch den mentalen Aufarbeitungsprozess queerer Identität – inklusive all der eingeimpften Geradlinigkeit, die es zu entlernen gilt. Und das tut Knipe mit einer Sanftheit, die trotzdem keine Angst vor der Dunkelheit hat.
Die Produktion: warm, organisch, aber nie gefällig. Jedes Arrangement klingt wie ein Gemeinschaftsprojekt in der WG-Küche, das am Ende trotzdem klingt wie ein sonntägliches Radiofeature auf NPR. Kein Wunder – alle Bandmitglieder waren in den Aufnahmeprozess gleichberechtigt involviert. Eine musikalische Kommune mit kollektivem Produzentenverständnis. Dass dabei ein Horn, ein paar Streicher und ein verdammt gutes Klavier nicht fehlen durften, versteht sich fast von selbst.
Absolutes Highlight ist „How About Now“ – ein Song, der sich um die eigene Sterblichkeit dreht, ohne dabei ins Klischee zu kippen. Stattdessen hören wir jemanden, der sich fragt, wie viel Raum Trauer haben darf, wenn das Leben einfach weitergeht – und wie sich Schuld anfühlt, wenn man überlebt hat. „Natural Causes“ ist keine einfache Platte. Aber sie ist nötig. Und sie kommt genau zur richtigen Zeit. Vielleicht, weil wir alle gerade ein bisschen zu oft so tun, als wüssten wir, wie man weiterlebt.
Stevie Knipe tut das nicht. Sie zeigen, wie es klingt, wenn man es einfach versucht – und das ist, verdammt nochmal, das Mutigste überhaupt.
Transparenzhinweis: Dieser Beitrag enthält Affiliate-Links. Wenn du über diese Links kaufst, erhält MariaStacks als JPC/Amazon-Partner eine kleine Provision. Für dich bleibt der Preis gleich.
