yeule – Glitch Princess

Dream PopElectronicExperimental, VÖ: Februar 2022
Nichts an dem Album ist einfach oder bequem anzuhören, aber es ist so akribisch konstruiert und so roh in jedem einzelnen Fragment, die YEULE darlegt, dass seine verwirrendsten Momente zu seinen bewegendsten werden.

Mit Falschmeldungen, fehlerhaftem Computercode und introspektiven Melodien führt uns yeule durch ihre intensive und komplexe Verbindung zu virtuellen Realitäten und der realen Welt, wie wir sie kennen. Die in Singapur geborene, selbsternannte „Glitch Princess“ repräsentiert die Zukunft des Glitch-Genres – eine komplette Künstlerin, die halb Mensch, halb Cyborg ist. Nach einer schwierigen Kindheit wäre yeule fast zu einem „Hikikomori“ (Menschen, die völlig sozial isoliert sind) geworden, aber sie hat es geschafft, durch Augmented Reality und das Internet, wo sie Trost fand, am Leben zu bleiben. Ihr Wesen und ihre musikalische Prägung sind vollständig von ihren vergangenen Erfahrungen abgeleitet. In den letzten Jahren in London ansässig, wo sie Kunst studierte, erkannte yeule schließlich das Potenzial ihrer EP-Serie und veröffentlichte 2019 ihr Debütalbum „Serotonin II“, ein wirklich atemberaubendes Erlebnis.

Die Reibung zwischen der virtuellen Realität und der realen Welt ist das ganze Album über weit verbreitet und erzeugt Momente explosiver Hyper-Pop-Euphorie („Bites on My Neck“) und völliger emotionaler Verwundbarkeit und Verwüstung („Friendly Machine“). Die Maschine fungiert als „illusion of immortality“, und je mehr wir uns auf sie verlassen, desto mehr opfern wir die Kontrolle über die reale Welt. Texte wie “think of my body getting hit by a train,” sind absichtlich und zutiefst beunruhigend. Sowohl romantisiert als auch dämonisiert, wirkt die Cyber-Dimension gleichermaßen als Trost und Laster. Den eigentlichen Abschluss bildet das verwirrende „The Things They Did for Me Out of Love“, ein vierstündiger und vierundvierzigminütiger Ambient-Track, der sich anfühlt, als würde man sich ein unbearbeitetes Filmmaterial im Zeitraffer ansehen. 

Die Aussage selbst ist großartiger als der Inhalt des Tracks, aber eine gekürzte Version hätte eine wunderbar ungehemmte Platte perfekt abrundet. „Glitch Princess“ erfordert Aufmerksamkeit, Selbstbeobachtung und Immersion – dieses Kunstwerk als Hintergrundgeräusch laufen zu lassen, würde den Punkt völlig verfehlen. Yeule sprengt Grenzen, glänzt in allen Stilrichtungen und ist ein Beispiel für die Jenseitigkeit und den einzigartigen Raum, den sie einnimmt.

8.9