Matthew E. White – Big Inner

Indie Rock, VÖ: August 2012

Da sitzt der bärtige Mann mit wilder Haarpracht auf seinem kindlich verzierten Stuhl und singt mit entspannter Stimme über Tage wie diese. ‚ One Of These Days ‚ macht sich dabei den Charme von Al Green’s 70er Jahre Produktionen zu eigen, spielt mit geisterhaften Trompeten, ästhetischen Ausdrucksformen und befasst sich textlich mit vertrauten Themen wie Liebe, Tod und Glauben. Bei ‚ Will You Love Me ‚ singt Matthew E. White, „Baby, you’re magnificent, Child, you’re intelligent, Honey, you can pay the rent with that smile on your face“, und zittiert zugleich Jimmy Cliff’s ‚ Many Rivers to Cross ‚ und während die nächsten Zeilen aus dem Munde White’s fließen und der eintretende kumulierte Effekt allmählich in ein akkretierendes Drama übergeht, zieht er den Teppich unter dieser Romanze zu einer kosmischen Wahrheit an die Decke der Bühne: „Darkness can’t drive out darkness/ Only love can do that.“ Im weiteren Verlauf der Platte wird man spüren, egal was Matthew E. White auch anpackt, es fühlt sich irgendwie warm und wohlig an.

Dazu seltsam vertraut und doch ganz unverbraucht dabei wirkt. The ‚ Big Inner ‚ vereint Bläsersätze mit Gospelchören, fluffige Grooves mit düsteren Streicherarrangements und an Kurt Wagner erinnernde Gesänge mit Saxophonläufen, die man schon so lange im Pop vermisst hat. Für mich liegt die Faszination im subtilen Unbehagen zwischen Schönheit und Wahnsinn. White erkundet die Ekstase und Agonie der Religion, erklärt die Geheimnisse des Universums und grummelt diese meist auf liebenswerte Art und Weise in seinen schwarzen Bart hinein. „we cling to the cross with tremblin‘ and fear“. Insgesamt wurden für die Aufnahmen sieben Tage benötigt. Der Sohn von Missionaren, die eigene Kindheit auf den Philippinen verbracht, ist White jetzt ein 30 Jahre alter Geist, der zu den Chorgesängen, „Jesus Christ is our lord/ Jesus Christ is our friend“, eine seltsame Kraut-Rock klingende Basslinie in wehmütige Zuneigung und verkaterte Melancholie verwandelt.

Matthew E. White verfolgt seine ganz eigene Vision, so individuell und eigenwillig wie man sie derzeit sonst nirgendswo finden kann. Ein Album für die Langstrecke.

9.2