Lucy Dacus – Home Video

Indie PopIndie Rock, VÖ: Juli 2021
Im kraftvollen dritten Album von LUCY DACUS sucht sie ihre Jugend wieder auf und betritt auch als Songwriterin und Künstlerin ein ganz neues Reich.

Es ist nicht leicht, ein sympathischer Charakter zu bleiben, wenn du eine klinische Erklärung dafür abgegeben hast, wie du einen Mord begehen würdest. „Thumbs“ ist die klarste Destillation dafür, warum Lucy Dacus das tut, und es ist auch das, was „Home Video“ von der üblichen konfessionellen Singer-Songwriter-Kost unterscheidet, da das Album nicht wirklich von ihr handelt. Es geht um andere Menschen, die aus ihrem Leben gekommen und gegangen sind und sie dabei geprägt haben, von alten Flammen bei „VBS“ und „Going Going Gone“, über alte Freunde bei „Thumbs“ und dem entwaffnend direkten „Christine“, bei dem Sie um eine Freundin trauert, die in einer sicheren Beziehung lebt, von der sie weiß, dass sie sie auf Dauer nicht glücklich machen wird: „All in all nobody’s perfect/There may be better but you don’t feel worth it/That’s where we disagree.“

Genau wie ihre Zeitgenossen findet Lucy eine Balance zwischen Wahrheit und Zartheit in ihrer Stimme. „In the summer of ’07 I was sure I’d go to heaven“, verrät sie nüchtern auf „VBS“, bevor sie von Hoffnung spricht. Ihre Darstellung des Verrats auf „Cartwheel“ stößt gegen sanftes Fingerpicking. Der Höhepunkt folgt mit „Triple Dog Dare“ – fast 8 Minuten lang – es reflektiert Diversität und Religion und baut sich zu einer Wand der Verzerrung auf, die perfekt den Dunst der Verwirrung widerspiegelt, den die komplexe Beziehung entzündet. „Home Video“ präsentiert in jedem Moment eine lebendige Momentaufnahme einer Erziehung, die das Erwachsensein von Lucy Dacus grundlegend prägt. Selbst auf „Brando“, das über jemanden geschrieben wurde, dessen Anmaßung und Besessenheit von veralteter Popkultur ihn und Dacus auseinander trieb, hinterlässt die Leichtigkeit des Songs den Eindruck, dass sie froh ist, ihn trotzdem gekannt zu haben. 

Es braucht tiefes Einfühlungsvermögen, um ein ganzes Album über die eigene Vergangenheit zu schreiben und es über die Liebe zu anderen handeln zu lassen. Aber in jeder Geschichte findet Lucy Dacus sowohl Verlust als auch Hoffnung, eine musikalische Darstellung des komplizierten Puzzles des Lebens.

8.9