I Heart Sharks – Summer

Electronic, VÖ: Oktober 2011

Umgangssprachlich darf ich wohl ehrlicherweise an dieser Stelle anmerken, mit der deutschen Indie-Musik befinde ich mich im Zwiespalt. Es fehlen für mich die verspielten Elemente, die überraschenden Wendungen innerhalb der Strophen und die unvermittelten Tempoverschärfungen, die Möglichkeit Rhythmen zu brechen, neu zu defnieren und mit einem spontanen Blickwechsel den Song in neue Bahnen zu lenken. Einfach so. Deutsche Indie-Musik geht in der Regel mit diesen Eigenschaften sehr sparsam um, zu oft werden Melodien in ein eng geschnürtes Mieder gepresst und was folgt ist der erste Mordversuch einer eifersüchtigen Schwiegermutter, die sich als Krämerin verkleidet und Schneewittchen einen buntseidenen Schnürriemen verkauft. Aber ich schweife ab: I Heart Sharks stehen in diesen Minuten direkt vorne am Rand. In der Gegenwart. Es gibt keine Gedanken an die Zukunft – nur das Jetzt und Hier. I Heart Sharks warten dort auf uns, dass Indietronic-Trio aus Berlin um Pierre, Simon und Georg. Aufgewachsen in London, New York und Bayern, trifft man sich in derselben Stadt, nämlich in Berlin. Pierre ist Halbfranzose, der seine Kindheit in London verbrachte, Simon kam aus New York und Georg folgte nach der Schule dem Studium nach Berlin. Doch was ist bei der ganzen Sache schlussendlich herausgekommen?

Zu Beginn der phantastische Song ‚ Animals ‚ in verträumter Melancholie, zu der sich im weiteren Verlauf intelligenterer Dance-Punk gesellt und sich trotz mancher Soundanleihe bei The Rapture, Foals oder Bloc Party, eine eigenständige Note abgewinnt. Im zweiten Stück ‚ Monogamy ‚ folgen treibende Synthies und ein wunderschöner Refrain begegnet auf halber Strecke echtem Brit-Pop, der gerade vom Berliner Electronica verführt wird. Alles natürlich im britischen Akzent gehalten, die Melodien ungebunden, die Atmosphäre leidenschaftlich, romantisch und angeheizt. Natürlich funktioniert das Ganze nur im Dunkeln und mit grellen Blitzen, dazwischen Synthesizer getriebene Rastlosigkeit. Wobei der letzte Punkt leider nicht immer ohne Weiteres anzuwenden ist. Denn das Trio genehmigt sich mit ‚ Kino ‚ eine Auszeit und schleicht sich erst mit dem hintergründigen ‚ Wolves ‚ langsam in unsere Gehörgänge zurück. ‚ Lies ‚ pulsiert erst gegen Ende mit seinem schnurgeraden Tanzrhythmus, ‚ Neuzeit ‚ versucht sich mit deutscher Sprache im Refrain (erinnert mich spontan an ‚ Darts Of Pleasure ‚ von Franz Ferdinand) und findet endlich wieder das Gefühl der Unmittelbarkeit. Elegant dagegen das gleichnamige Titelstück.

In scheinbarer Schwerelosigkeit tänzeln die Strophen durch den elektronischen Sound und ‚ Suburbia ‚ nutzt den Abschluss für einen eigenen Anfang und erhält das losgelöste Gefühl von allem Ballast. Die Stimme zu jeder Zeit hoch, melancholisch, hallend. Die nächsten Minuten sind beraubend: Zu ‚ Golden Gate ‚ und ‚ NY BLN ‚ bewegen sich verschwitzte, jugendliche Körper in rauschhafter Ekstase und lassen keinen Zweifel daran, dass die Songs, die just in diesen Augenblicken aus den überdimensionalen Boxen donnern, ein unheimlicher Reiz innewohnt und eine hohe Anziehungskraft ausstrahlen. Den Abschluss bildet das galoppierende ‚ The World Is Yours ‚ und wenn Kritik geübt werden muss, dann weil sich an einer Sache die Nerven reiben: Die Foals spielen nach meinem Geschmack zu oft im Gedächtnis Ihre eigen Melodien und nicht selten muss die Mahnung erfolgen, hier spielen I Heart Sharks. Aber die Eigenständigkeit ist gegeben, es funktioniert und sind wohl am Ende auch keine wirklichen Fehler, sondern unwichtige Details in einem gelungenen Experiment.

6.9