
THE HIDDEN CAMERAS
THE HIDDEN CAMERAS führen queeren Kammerpop in die Disko: BRONTO verbindet bittersüße Choräle, Club-Bässe und prominente Kollaborationen zu einem vielschichtigen Comeback.
Fast ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seit Joel Gibb seine Band The Hidden Cameras als subversives Projekt zwischen Chorälen und homoerotischen Hymnen gründete. Aus dem „gay church folk“, der in Kirchen, Pornokinos und Galerien aufgeführt wurde, wuchs eine queere Institution, deren Debüt „Ecce Homo“ Anfang der 2000er Jahre die Indie-Szene erschütterte. Stücke wie „Ban Marriage“ verbanden kirchliche Symbolik mit politischem Aktivismus, flankiert von ekstatischen Liveshows voller Tänzerinnen und Chöre. Nach Umwegen in Country- und Americana-Gefilde („Home on Native Land“, 2016) meldet sich die Band nun mit „BRONTO“ zurück – ein Album, das das Erbe der Disco auslotet, dabei elektronische Nostalgie mit queeren Stimmen bündelt.
Entstanden ist „BRONTO“ gemeinsam mit Produzent Nicolas Sierig, dessen feines Gespür für rhythmische Strukturen den Songs eine kantige Eleganz verleiht. Schon der Auftakt „How Do You Love?“ inszeniert Gibb’s fragile Stimme über pulsierenden Beats, während Owen Pallett’s Violine den Schmerz unerwiderter Liebe verstärkt: „Why do you do that when you say you don’t want me?“ Gibb verknüpft hier die Dringlichkeit körperlicher Sehnsucht mit einem Chorraum voller Maschinenklänge. „Undertow“ schließt an – eine Synthpop-Woge mit klarer Referenz an Erasure, abgerundet durch einen Remix von Vince Clarke. Ebenso prägnant ist „How Do You Love“, dessen Version die Pet Shop Boys glätten und zugleich emotional aufladen.
Nicht alle Stücke tragen, was sie versprechen. „Quantify“ wiederholt House-Muster, die mehr Funktion als Erzählung besitzen, und auch kleine Western-Anleihen wie in „Wie Wild“ wirken eher wie irritierende Einsprengsel als dramaturgische Notwendigkeit. Doch gerade diese Brüche öffnen den Raum für einen späten Höhepunkt: „Don’t Tell Me That You Love Me“ führt die Hidden Cameras zurück zu ihren Wurzeln. Owen Pallett’s Streicher lassen das Sakrale aufscheinen, während Gibb die Fragilität einer gescheiterten Liebe bilanziert. Das Cover visualisiert diesen Schwebezustand zwischen Ekstase und Verletzung: eine verschwommene Silhouette, von grünem und rosafarbenem Licht durchzogen, wie eingefrorene Bewegung auf dem Dancefloor.
Es verweist auf den Dualismus des Albums, das zwischen clubtauglicher Euphorie und kammermusikalischem Nachhall oszilliert. „BRONTO“ ist damit weniger Rückkehr zur alten Form als ein Versuch, Erinnerung und Clubkultur miteinander zu verschränken.
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