Viagra Boys – Cave World

Rock, VÖ: Juli 2022
Clever, aber ausschweifend, albern, aber ernsthaft, das ist das bisher beste Album der VIAGRA BOYS.

Man kann nicht diskutieren, was die Musik der Viagra Boys so besonders macht, ohne Sänger Sebastian Murphy zu erwähnen. Seine Texte führen seine zerzausten Antihelden oft durch dunkle, satirische und humorvolle Geschichten über drogengetriebene Ausschweifungen. „Cave World“, ihr drittes Album, ist offenbar „inspired by current events“ – was einen fragen lässt: Wo zum Teufel fängt man an, wenn man sich aufmacht, eine albumlange Sezierung von 2022 zu machen? Wie destilliert man all die gesellschaftspolitischen Erdbeben, Umweltkatastrophen und Gesundheitskrisen sowohl körperlich als auch seelisch in eine kohärente Aufzeichnung? Nun, in der wunderbaren Welt der Viagra Boys lautet die Antwort wie folgt: Sie machen ein lockeres Konzeptalbum über die anarcho-primitivistische Vorstellung, dass wir besser dran wären, wenn wir zu einer vorzivilisierten Lebensweise zurückfallen würden. In gewisser Weise ist dies das perfekte Thema für die Viagra Boys, bei dem sie Spaß haben können.

Murphy hat eine Art, erzählerische Texte zu schreiben, die unprätentiös, aber dennoch interessant genug ist, damit sich die Songs frisch und einzigartig anfühlen, wie am besten in „Return to Monke“ deutlich wird, das das moderne menschliche Verhalten durch die Linse des Übergangs in einen primitiven Zustand betrachtet. Der Chorgesang von „Leave Society, be a Monkey“ ist sowohl urkomisch als auch erschreckend. Für eine Band, die sich und ihre Musik oberflächlich betrachtet nicht allzu ernst zu nehmen scheint, ist „Cave World“ gründlich konzipiert und klug umgesetzt. An anderer Stelle kehren die Viagra Boys zu den Themen ihrer vorherigen Alben zurück und verändern uns mit Songs wie „Punk Rock Loser“ und „Big Boy“ zu der Schwäche, die toxischer Männlichkeit innewohnt. Letzteres enthält einen Vers von Jason Williamson von Sleaford Mods. Es ist nicht Williamson’s bestes oder wildestes Werk, aber seine unverwechselbare Stimme passt gut zum schleppenden Beat des Tracks. 

Andere Tracks finden Murphy selbstanalytischer. Er spricht seine Aufmerksamkeitsdefizitstörung in „ADD“ an und öffnet sich über den Zustand bei minimalen Elektrobeats. “But what’s all of this got to do with me? Is there some sort of connection to my ADD?” Sie sind irgendwie gleichzeitig schwerer und poppiger geworden. Irgendwie können sie über aktuelle kontroverse Tabuthemen schreiben und uns zu einem musikalischen Zeichentrickfilm zerren. Es ist auch erwähnenswert, dass das Albumcover unverkennbar das verrückte Werk der Karikaturistin Moa Romanova ist und perfekt zu der Lyrik und dem klanglichen Können der Platte mit ihren zwölf Songs passt. Von den wenigen Singles, die sie veröffentlicht haben, bis hin zu den Hits von „Cave World“ versuchen sie zweifellos, ihr Publikum zu erweitern. Aber man kann nicht anders, als zu denken, dass es ihnen auch einfach egal ist, wenn daraus nichts wird. Und das im absolut besten Sinne.

8.0