Mary J. Blige – Good Morning Gorgeous

HipHop/RapR&B, VÖ: Februar 2022
Trap-Beats, Auto-Tune und müde alte Rhythmen versprechen uns auf dem neuen Album GOOD MORNING GORGEOUS von MARY J. BLIGE nichts Neues und lässt es damit beinahe wie fast alles andere klingen, was es derzeit da draußen zu hören gibt.

Der Auftritt bei der Halbzeitshow des Super Bowls fällt mit der Veröffentlichung von „Good Morning Gorgeous“, dem 14. Studioalbum der Sängerin, zusammen. Obwohl es leicht ist, es als kommerzielles Bindeglied zu bezeichnen, steht das neue Album von Mary J. Blige für sich allein als feierliches Album, das erhebende, gefühlvolle Affirmationen mit Übungen in zeitgenössischem Rap und R&B mischt. Blige gelingt es in ersterer Kategorie mit viel Pathos und technischem Draufgängertum. Aber ihre Kollaborationen mit einer Vielzahl von Stars, darunter DJ Khaled, Dave East, Fivio Foreign, Anderson .Paak und Usher wirken zerstreut, ein unglücklicher Nebeneffekt, der die belebende Selbstermächtigung des Albums behindert. DJ Khaled bringt sein charakteristisches Getöse in den Dancehall-Rhythmus von „Amazing“ ein; Anderson .Paak singt in seinem typischen Stil über die üppigen Grooves von „Here With Me“; Dave East lässt für „Rent Money“ einen harten Vers fallen. Es gibt viel emotionalen Tumult, wie Tracks wie „Love Will Never“ und der Titelsong deutlich machen. „It’s hard enough to be alone“, singt sie auf letzterem. „“I’m so tired of feeling empty.” Dennoch weicht sie der tiefen Melancholie ihrer Vergangenheit vorsichtig aus. 

Die Musik ist größtenteils hoffnungsvoll und lebendig, auch wenn die Gefühle darüber hinwegtäuschen. „On Top“ beweist, dass Blige sich selbst als lebende Legende sieht, die nicht bereit ist, sich in die Belanglosigkeit zurückzuziehen. Ihre Bereitschaft, mit aktuellen Poptrends zu experimentieren, hat sie gelegentlich auf erschütternde Pfade geführt: man nehme als Beispiel ihre merkwürdige Single „The One“ aus dem Jahr 2009, in der sie neben Drake eine unkluge Auto-Tuned-Performance abliefert. Häufiger hat es sich in künstlerischen Belohnungen ausgezahlt, wie „The London Sessions“ von 2014, eine wackelige, aber letztendlich erfolgreiche Fusion von Vintage-Hip-Hop-Soul und R&B-beeinflusstem britischem Pop. Auch „Strength of a Woman“ von 2017 war eine unerschrockene und kraftvolle Analyse ihrer Scheidung von Kendu Isaacs. Fast alle 15 Alben von Blige haben einen konzeptionellen Rahmen, aber „Good Morning Gorgeous“ fühlt sich lockerer an als andere. Der Titeltrack, koproduziert von H.E.R. und langjährige Blige-Mitarbeiterin D’Mile, ist die Quintessenz von Mary: eine Hymne der Selbstliebe, um sich aus der Dunkelheit zu erheben, vergoldet mit Fingerschnippen, gemächlichen Gitarrenmelodien und dynamischen Hintergrundgesängen. 

Das Lied formuliert einen persönlichen Tiefpunkt als verletzliche, revitalisierende Aufmunterungsrede zu sich selbst und damit zu allen anderen: “All the times that I should’ve been careful with me,” klagt sie, “Why did I hate myself?” Nichtsdestotrotz könnten langjährige Fans den laserscharfen Fokus von Blige’s besten Alben vermissen. Doch ihre Versuche, die Stimmung aufzuhellen und unser Leben mit „Good Morning Gorgeous“ etwas Freude zu bereiten, sind ein würdiger Kompromiss. Doch es bleibt nicht verborgen, dass die goldenen Jahre schon lange hinter ihr liegen, als sie und Usher noch die Popmusik-Landschaft dominierten – dass sie diese Tage aber noch nicht vergessen hat, zeigt sie eindrucksvoll am Ende des Albums in einem üppigen Duett…. Mit wem? Natürlich mit Usher.

6.8