Liars – They Were Wrong, So We Drowned

ExperimentalRock, VÖ: Februar 2004

Man dachte schon die Liars hätten sich am Ende Ihres Debüts vor drei Jahren den Todesstoß versetzt. Keine Reaktionen waren zu erkennen, keine Regungen oder unheimliche Begegnungen aus dem Jenseits von Sänger Angus Andrew. Und doch stehen Sie auf einmal wieder vor uns. Langsam und mit unsicheren Schritten bewegen sich die New Yorker auf dem Opener ‚ Broken Witch ‚ langsam durch die matschige Dunkelheit. Bedrückend klemmt sich ein leiser Schauder auf unsere Rücken, Erinnerungen werden wach, klaustrophobische Eindrücke brechen wieder in uns aus, während sich die Umgebung aus dem Vorgänger in finstere Wälder verschlagen hat. Wir befinden uns in der Walpurgisnacht, hören Geschichten von Hexenprozessen aus dem Harz, hier in Deutschland. Inspiration dafür war der Umzug des Trios von Williamsburg, Brooklyn in die Wälder von New Jersey. ‚ Broken Witch ‚ startet in die neue Platte mit ominösen Drohnen und stotternden Trommeln, die schließlich in eine unendliche Schleife mit industriellen Rhythmus fallen. ‚ Steam Rose From The Lifeless Cloak ‚ klingt verstörend, das monotone Hämmern des Schlagzeugs erinnert an die letzten Impulse derer Frauen, die Ihr Leben auf den Hexenverbrennungen hergeben mussten.

Dabei ist ‚ They Were Wrong, So We Drowned ‚ das exakte Gegenteil des Debüts und verzichtet somit auf spröde Aggressionen. Zu hören gibt es dafür Klagelieder auf einsamen Beerdigungen, betäubende Klangcollagen und den Knall des explodierenden Dance-Punk. Die Liars haben Ihr Debüt mit den eigenen Waffen geschlagen und sind nun bereit weiterzuziehen. Insgesamt könnte man die zweite Platte auch als masochistisches Gesamtwerk bezeichnen. ‚ There’s Always Room On The Broom ‚ reibt verstümmelte Gitarren gleichmäßig über den blutigen Boden, verdreckte Synthies zischen hämisch Ihren ekligen Gestank durch die nächtlichen Lüfte, während ‚ If You’re A Wizard Then Why Do You Wear Glasses? ‚ wohl der finale Akt in jeder Verbrennung darstellt: Fürchterliche Schreie, unerträgliche Qualen und hemmungslose Menschen am Rande kreieren ein entsetzliches Bild vor unserem geistigen Auge. Doch blickt man nun auf die musikalischen Aspekte, ist den Liars ein angemessener Übergang Ihrer Anti-Songs zum Vorgänger gründlich in die Hose gegangen.

Sie stoßen uns mit diesen neuartigen Soundkomplexen vor die Stirn, entfremden sich von Ihrem Publikum, um es anschließend in künstlerischer Freiheit zu umarmen. Es mag vielen nicht gefallen, doch die Liars nutzen die manchmal unerträgliche Experimentierfreudigkeit einfach auf Berufung Ihrer Erzählstrukturen. Eine Reflexion über die Natur der Hexerei und schmutzige Politik rund um die Hexenprozesse von Salem. Am Ende dieses Strohfeuers, beschreiben die Songs das neue Werk ‚ They Were Wrong, So We Drowned ‚ perfekt: Es ist ein darstellerisches Album geworden, das nicht vom Moment lebt und auch nicht die neue Offenbarung rechtfertigt, jedoch aber eine klare Achtung vor den darliegenden Absichten auf den Hörer erzeugt.

7.5