Carly Rae Jepsen – The Loveliest Time

Pop, VÖ: August 2023
THE LOVELIEST TIME von CARLY RAE JEPSEN ist ein Begleitalbum zu The Loneliest Time aus dem letzten Jahr und enthält Songs, die während der Entstehung der Platte aufgenommen wurden.

Als Carly Rae Jepsen letztes Jahr ihr sechstes Studioalbum „The Loneliest Time“ veröffentlichte, ein anspruchsvolles, von Funk und Disco inspiriertes Werk, verlangte ihr Publikum lautstark nach einem Nachfolger. Tatsächlich kündigte sie „The Loveliest Time“ am 6. Juli offiziell an und schrieb auf Instagram: „I can’t really call it a B sides as if these were cast-off ideas — it’s the completed set to a body of work that taught me so much about love and loneliness and myself.“ Viele der Songs des letzten Albums, darunter „Far Away“, „Bends“ und „Go Find Yourself or Whatever“, verliehen der produktiven Singer-Songwritern eine melancholische, sogar zögerliche Stimmung. 

Wie der Name schon sagt, fungieren die fröhlicheren Songs von „The Loveliest Time“ als klanglicher und thematischer Kontrapunkt. Jepsen’s künstlerische Stärke besteht darin, geradlinige Popmusik zu machen, ohne dabei zu simpel zu sein. Sie lehnt die Vorstellung ab, dass Kunst unheimlich oder komplex sein muss, um ausdrucksstark zu sein, und sie hat keine Angst davor, ihre Meinung zu äußern oder sogar nerdig zu wirken. Auch wenn Jepsen’s Texte nicht immer autobiografisch sind, haben ihre Lieder eine verletzliche Qualität, die sich intim anfühlt.

Ganz gleich, wie man sie nennt oder wie man sie einordnet, „The Loveliest Time“ enthält eine Handvoll Songs, die sofort in die oberen Ränge von Jepsen’s Katalog gehören. „Kamikaze“ ist ein treffend betiteltes Lied über die Verfolgung von jemandem („a shipwreck underwater“), den man nicht verfolgen sollte, mit einem aufregenden Achterbahn-Refrain und einer Basslinie, die gleitet und sich windet, als sie das Unvermeidliche erkennt: „I love the beginning/The moonlight is calling/I know we’ll go up but/We’ll end up freefalling.“

Später geht „Psychedelic Switch“ in die entgegengesetzte Richtung und Jepsen schwelgt in der erholsamen Kraft der Liebe zu einem funkelnden House-Beat. Wenn sie in der letzten Strophe singt: „All my insecurities / Can’t stand the way you look at me“, will man einfach nur dieses Umarmungs-Emoji für sie zerschmettern. Und der wackelige Disco-Track „Shy Boy“ teilt den Unterschied zwischen den beiden, indem er die Kunst des Flirtens zelebriert und gleichzeitig den Refrain von Midnight Star’s kleinem Hit „Midas Touch“ aus dem Jahr 1986 einfügt.

Das spacige „Kollage“, das sie mit hauchigem Sopran singt, gefällt beim ersten Hören nicht sofort. Ein langsamerer Song mit etwas Lana-Einfluss, der einem vielleicht besser gefällt, wenn man ihn ein zweites Mal anhört. Die ätherische Qualität ihrer Stimme in Kombination mit den verträumten Instrumentalstücken schafft eine hypnotisierende Atmosphäre, die man erst nach ein paar Anhörungen voll und ganz genießen kann. Die eindringlichen Texte und subtilen Nuancen in ihrem Vortrag machen „Kollage“ zu einem fesselnden Stück, das einem nach und nach ans Herz wächst.

Im Nachhinein wirkt „The Loneliest Time“ vom letzten Herbst wie ein Übergangsalbum, dessen introspektive Stimmung leicht hohl klingt. Während Jepsen nie die kompromisslose Konsistenz von „Emotion“ aus dem Jahr 2015 wiederholen konnte, ermöglicht ihr das B-Seiten-Konzept, in einem Rahmen mit viel geringeren Einsätzen zu arbeiten. Alben wie „The Loveliest Time“ sind bewusst fragmentarisch gehalten und sollen die Teile ihrer Diskographie ergänzen, und in diesem Sinne ist dieses Album ein voller Erfolg.

7.9