Bonaparte – Too Much

Indie Rock, VÖ: September 2008
So effekthascherisch TOO MUCH auch erscheinen mag – ist es doch genau der Punkt. Die Essenz eines guten Gimmicks besteht darin, eine Nische mit erkennbaren individuellen Merkmalen zu schaffen, die einem Akt helfen, sich von allen anderen abzuheben; und eines ist sicher, einmal gehört, BONAPARTE hinterlässt einen Eindruck.

„Do you want to party with the bonaparte/ At the mighty mighty in wellington?/ Do you want to party with the bonaparte/ In the room at the top of the stairs?heißt es sogleich im Opener und man möchte einfach nur immer wieder „Jaa, Jaaa, Jaaaa!“ rufen. Danach folgt eine kurze Stille, verheißungsvolle Blicke wandern durch den Club, die Atmosphäre ist zum kochen bereit, die Beine zucken nervös und endlich, endlich kurz bevor das Nervenkostüm als blutrote Farbe durch die komplette Etage spritzt, beginnen die ersten Zeilen zum Auftakt in ‚ Who Took The Pill ‚. Die Party kann beginnen, die Melodien beginnen in einer Mischung aus Pop, energetischen Elektropunk und einer tragenden Verrücktheit die drückende Luft zu sprengen. Unglaublich verdreht steigt dann kurz darauf auch das Stück ‚ Too Much ‚ in das Geschehen ein: „b-day, d-day, dj, casius clay/ batman, spiderman, superman, tarzan/ einstein, bernstein, money, money, red wine/ eisenhower, beckenbauer, ddr, berliner mauer/ vietnam, guernica, stalingrad, hiroshima/ watergate, waterloo, austerlitz, đệ biên phủ mao, hotschimin, valium, amphetamin/ you and me and one two three and who could be a refugee?“ Doch Zuflucht wird dieser visuellen Trash-Punk-Band an diesem kreiselnden Abend nur einer gewähren: Tanzende Menschen mit dem unabdingbaren Drang nach mehr. Nach mehr rotierenden Rhythmen und mehr aus allen Ecken schießenden Lyrics, die dem Berliner Underground eine komplett neue Duftnote verleihen.

Es riecht nach einem neuen demokratischen Kollektiv mit einem kleinen, und verdammt verrückten Diktator an der Spitze. Einen Namen machte sich die Gruppe durch Ihren herrlich schrägen wie eingängigen Hit ‚ Anti Anti ‚, das sämtliche Gehörgänge bei den Riffs eine empfindliche wie süchtig machende Melodie einhämmert. Nach knappen zehn Minuten und einer Menge blauer Flecken mehr, wird es mit ‚ Ego ‚ eine Spur gemächlicher, wenngleich zu keinem Zeitpunkt Ruhe einkehren will. Noch immer versteht man Worte des unmittelbaren Tanzpartners in keinster Weiße, doch reicht bereits ein kurzer Blick in die angrenzenden Gesichter, um deren Begeisterung bei diesen Songs förmlich zu schmecken. Es schmeckt nach Verzückung, Ausgelassenheit und dem Frohsinn endlich wieder etwas neuartiges zu hören. In ‚ Tu Me Molas ‚ wird es aus Sicht der aktuellen Platte ‚ Too Much ‚ experimentell, Synthies wabbern durch den warmen Hintergrund, während ‚ Wrygdwylife? im straighten Sixties Look lässig an der Hauswand lehnt und Mädchen mit viel zu kurzen Röcken anzügliche Bemerkungen zuruft.

Insgesamt bewegen sich die Melodien im Mittelteil von ‚ Too Much ‚ weniger auf tanzbarer Ebene, konzentrieren sich mehr auf sinnige wie nachdenkliche Texte und animieren die Menschen vor der Bühne erst wieder mit ‚ I Can’t Dance ‚ und ‚ No, I’m Against It ‚ die Beine rhythmisch und bestimmend durch die Gegend zu treiben. Schlussendlich sind vierzehn Tracks entstanden, die einen notwendigen Wind durch die trübe Indie Szene blasen. Fenster und Türen wurde geöffnet, Bonaparte sind eingestiegen, die Hände gehen hoch, denn das ist ein Überfall mit der Absicht nie wieder von hier gehen zu wollen. Aber sind wir mal ehrlich: Niemand würde daran je einen Gedanken verschwenden wollen.

8.7