Avril Lavigne – Under My Skin

Rock, VÖ: Mai 2004
Ein Teil der Anziehungskraft von AVRIL LAVIGNE – eigentlich ein großer Teil davon – besteht darin, dass sie eine Göre ist, die sich bei ihrem Debüt Let Go aus dem Jahr 2002 jünger als 17 Jahre verhält und nie den Eindruck macht, als würde sie sich sonderlich um die Vergangenheit kümmern

Avril Lavigne ist vielleicht der unergründlichste Teenie-Popstar aller Zeiten. Seit einigen Jahren starrt ihre Armee aus Avriliten sie eifrig und hungrig an, und sie starrt zurück, ohne etwas zu verraten. Selbst jetzt, nach dem jahrelangen Medienrummel, der auf den überwältigenden Erfolg ihres Debüts „Let Go“ folgte, scheint Lavigne immer noch irgendwie unbefleckt von allem zu sein: ein unbeschriebenes Blatt als Neunzehnjährige. Diese Leere macht ihre besten Songs so unwiderstehlich. Ob Faux-Punk-Anfall oder rührselige Ballade, sie singt alles absolut klar: Man kann hören, was man hören will. Ihre Musik ist wahnsinnig (und bewundernswert) schwer zu kategorisieren: Der Hit „I’m With You“ hatte einen fast unmerklichen Country-Einschlag, eine vage New-Metal-Melodie und einen Refrain, der auf American Idol nicht fehl am Platz wäre.

Für ihr neues Album „Under My Skin“ trennte sich Lavigne von Matrix, dem Team, das einen Großteil von „Let Go“ geschrieben hat. In Zusammenarbeit mit einem ungewöhnlichen Team von Songwritern – ihrem Gitarristen Evan Taubenfeld und der kanadischen Singer-Songwriterin Chantal Kreviazuk – hat sie ein Album zusammengestellt, das sowohl zufriedenstellender als auch formelhafter ist. Lavigne bringt keine neuen Ideen in „Under My Skin“ ein; Stattdessen lässt sie ihre alten Stücke aufpolieren und verwendet oft Multitracks für ihre Stimme, um sicherzustellen, dass wir die kilometerweiten Refrains nicht verpassen. Während die Hooks hier unbestreitbar sind, sind Avril’s Texte oft vage oder archetypisch. 

„There’s not much going on today/I’m really bored, it’s getting late“, singt sie zu dem beschissenen Faux-Punk-Song „He Wasn’t“. An anderer Stelle zeigt das unreife Gehabe, das einst die Vorstellung von Avril unerträglich machte, in Songs wie „Freak Out“ sein hässliches Gesicht: „Try to tell me what to do/You Should know by now/I won’t listen to you!“ Ab dem neunten Titel fängt es an, wie eine Parodie zu klingen. Diesmal ist es vielleicht weniger schwungvoll und mehr knackig, aber es ist verdächtig ungleichmäßig für die vermeintlich wunderbare Tochter des Rock.

6.9