Zwischen Verlust und Wiedergewinnung der Stimme entfaltet SARAH MCLACHLAN auf SHINE ON einen kontrollierten Hoffnungston, der Nähe sucht und Distanz wahrt, während ihr vertrauter Popentwurf zwischen Sentimentalität und Selbstbehauptung balanciert.
Sarah McLachlan hat in den Neunzigern eine ganze Ära des gefühlvollen Pop geprägt. Ihre Stimme, klar wie Glas und zugleich verletzlich, wurde zum Synonym für jene Mischung aus Introspektion und Pathos, die Hits wie „Angel“ oder „Building a Mystery“ trugen. Nach Jahren persönlicher Brüche – Trennung, der Tod des Vaters, das Ende ihrer langjährigen Labelpartnerschaft – kehrt sie mit „Shine On“ zurück und versucht, ihre eigene Sprache neu zu justieren. Der Wechsel zu Verve Records markiert dabei weniger einen ästhetischen Neuanfang als eine Rückbesinnung. Produzent Pierre Marchand bleibt an Bord, ergänzt durch Bob Rock, der einige der direkteren, gitarrenbetonten Momente prägt.
Die Platte beginnt mit „In Your Shoes“, einem hymnischen Stück, das auf große Gesten zielt und McLachlan’s Popinstinkt scharfzeichnet. Streicher und Drums treiben den Song nach vorn, ihre Stimme erhebt sich in fast trotzigem Selbstvertrauen. „Flesh and Blood“ setzt diese Energie fort, wirkt aber kalkulierter. Die Dynamik zwischen Zurücknahme und Ausbruch ist vertraut, bleibt jedoch formelhaft, fast zu sehr auf Wirkung gebaut. Erst mit „Surrender and Certainty“ erreicht das Album jenen stillen, melancholischen Raum, in dem McLachlan wirklich aufblüht. Der Song ist schlicht, fast transparent, getragen von einem Atem, der mehr sagt als jede orchestrale Schichtung.
„Song for My Father“ bildet den emotionalen Kern: eine späte Versöhnung zwischen Verlust und Dankbarkeit, getragen von akustischer Gitarre und einem leicht zitternden Timbre. Hier gelingt McLachlan das, was vielen ihrer Stücke fehlt – eine Ruhe, die sich nicht erklären muss. Gegen Ende verliert „Shine On“ an Spannung. Stücke wie „Brink of Destruction“ und „Beautiful Girl“ klingen vertraut, ohne bleibende Tiefe. Das abschließende „The Sound That Love Makes“ beschließt die Platte mit unerwarteter Leichtigkeit, beinahe zu sonnig nach all der gedämpften Innenschau. Das Albumcover – McLachlan in hellem Licht, an eine Wand gelehnt, den Blick gesenkt, ein schmaler Gang, der sich in die Ferne zieht – fasst diesen Widerspruch: ein Versuch, weiterzugehen, ohne das Alte hinter sich zu lassen.
„Shine On“ will Heilung, findet sie aber nur in Fragmenten. Die Songs tragen Schönheit, doch selten Risiko. McLachlan singt präzise, kontrolliert, professionell – nur manchmal, in kurzen Momenten der Entblößung, bricht jene Kraft hervor, die sie einst unverwechselbar machte.
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