Zwischen Wut, Witz und Wollust entfaltet ASHNIKKO auf SMOOCHIES ein grelles Selbstporträt aus Körperpolitik, Groteske und glitzerndem Chaos, das Pop entwaffnet und entstellt zugleich – ein Album, das Grenzen von Begehren, Identität und Ironie neu verhandelt.
Kaum eine Künstlerin ihrer Generation spielt so virtuos mit der Gleichzeitigkeit von Schamlosigkeit und Reflexion wie Ashnikko. Sechs Jahre nach „Stupid“, ihrem ersten viralen Ausbruch, verwandelt sie mit „Smoochies“ die Überreizung der Popkultur in ein akustisches Experiment aus Reizüberflutung, Witz und Selbstermächtigung. Der Sound hat nichts Sanftes: elektronische Peitschenhiebe, synthetische Blitze, verzerrte Stimmen, die wie Avatare aus einem überhitzten Videospiel herausfallen. Wo das Debüt „WEEDKILLER“ noch Welten erfand, zerschlägt „Smoochies“ jede Mythologie zugunsten der unmittelbaren, körperlich aufgeladenen Gegenwart.
Ashnikko, alias Ashton Casey, bewegt sich in diesem zweiten Werk zwischen hyperpopulärer Übersteigerung und beinahe nihilistischem Humor. „Sit on the DJ’s face and feel the beat through my puss“ – ein Satz, der sich in „Full Frontal“ weniger als Provokation liest, sondern als Triumph über die Fremdbestimmung weiblicher Lust. Auch „Wet Like“ mit COBRAH steigert das erotische Spiel in eine Art queere Maschinenfantasie, die die Körperlichkeit der Clubkultur zugleich feiert und persifliert. Die Produktion, angeführt von Slinger und Oscar Scheller, oszilliert zwischen metallisch schneidenden Beats und parodistisch glänzenden Synthflächen, die an das frühe Jahrzehnt von MySpace erinnern, doch jede Nostalgie zersägen.
In „Trinkets“ verwandelt sie Beziehungen in Accessoires, mit der Zeile „treating a man like a trinket“ und macht aus Objektifizierung ein Gegenspiel. Selbst in Momenten der Zärtlichkeit bleibt das Album zerrissen: „Smoochie Girl“ schwankt zwischen Euphorie und Angst, zwischen der Sehnsucht nach Nähe und der Panik davor, wieder verletzt zu werden. Die Offenheit kippt nie ins Sentimentale, weil Ashnikko ihre Verletzlichkeit als Teil ihrer Pose begreift. Im Finale „It Girl“ legt sie die Figur der perfekten Frau ab und singt fast beiläufig: „I wanna kill the it girl in me.“ Hier schimmert das rare Gefühl eines Nachhalls – ein leiser Schatten inmitten des Glitzerns.
Das Cover mit seinem surreal-lilafarbenen Hintergrund, den puppenhaft glänzenden Locken und dem seltsam anmutenden Zahnschmuck verdichtet die Musik visuell: eine verzerrte Unschuld, zugleich verspielt und bedrohlich. Diese Bildsprache spiegelt das Album exakt – Kunstfigur und Körper, Verletzung und Pose, alles verschmilzt zu einem grotesken Selbstbild zwischen Candy und Blut. „Smoochies“ ist kein perfektes Album, zu überladen in seinem Witz, zu kalkuliert in seiner Lust. Doch es ist eines der wenigen Popwerke, das den eigenen Exzess nicht entschuldigt, sondern ihn zum Motor erklärt.
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