
EMMA LOUISE & FLUME
EMMA LOUISE & FLUME verschmelzen intime Songwriterkunst und elektronische Abgründe auf DUMB – ein Album über Neurodivergenz, radikale Offenheit und die Kunst des Loslassens.
„DUMB“ ist das Resultat einer Zusammenarbeit, die sich schon lange ankündigte: Emma Louise, die australische Sängerin mit einem Hang zur radikalen Selbstverwandlung, und Harley Streten alias Flume, dessen Produktionen zwischen Club und Kunstinstallation pendeln. Was zunächst mit einem Barbecue und spontanen Sessions im nördlichen New South Wales begann, ist nun ein 32-minütiges Werk geworden, das in zehn Tracks einen weiten Bogen zwischen Verletzlichkeit und Exzess spannt.
Emma Louise hat in den letzten Jahren nicht nur ihre musikalische Sprache erweitert, sondern auch persönliche Wahrheiten öffentlich gemacht: Späte Diagnosen von ADHD und Autismus haben ihr Leben neu erklärt, zugleich Narben offengelegt. Sie selbst sagt: „Ich just wish I knew earlier, because I’ve suffered so much.“ Dieses Ringen mit Selbstbild und Fremdzuschreibung fließt in das Album ein, ohne dass es explizit thematisch wird. Vielmehr bildet es die unsichtbare Textur, die jede Melodie umhüllt.
Schon der Opener „All of the Worlds“ entwirft eine fragile Utopie, wenn Louise haucht: “I want all of the worlds for you / Can you want that for me too?“ Flume’s Beats sind hier weniger aggressiv als architektonisch – sie halten das Versprechen, Räume zu öffnen, die nicht vom Mainstream abgesteckt sind. Später in „Monsoon“ fließt die Stimme der Sängerin wie Wasser, das zugleich heilend und zerstörerisch wirkt: “Skies were fallin’ but I loved you still.“ Diese Ambivalenz – Hingabe und Misstrauen – trägt das Album.
„Easy Goodbye“ hingegen zeigt, wie nah Schönheit und Zersetzung liegen. Was als klare, gläserne Ballade beginnt, kippt in ein flirrendes Geflecht aus Verzerrungen, bis die Stimme selbst zur Maschine wird. Auch „Homicide“ lässt die Wucht von gescheiterter Liebe nicht in Sentimentalität versinken, sondern verwandelt sie in eine rhythmische Abrechnung, ein Tanz auf Scherben. Das Albumcover – ein verschwommenes, beinahe geisterhaftes Porträt von Emma Louise – spiegelt diese Ästhetik eindrucksvoll.
Das Gesicht wirkt zugleich entrückt und intim, ein Bild von Identität, das gerade in seiner Unschärfe berührt. Es passt zu Flume’s Worten: „When we are in the studio, we are floating.“ Nichts bleibt statisch, jede Kontur kann sich auflösen und neu formen. Natürlich gibt es Brüche. „Brand New“ wirkt überambitioniert und verliert sich in der Experimentierlust. Doch selbst dieses Stolpern erzählt von einem Album, das bewusst jede Planbarkeit verweigert. „We’re not plan people,“ sagt Louise, und genau das macht „DUMB“ zu einem Werk, das mehr wagt als bloß Pop zu sein.
Es ist ein Album, das Neurodivergenz nicht als Defizit, sondern als ästhetische Methode versteht: Dissoziation wird zur Schönheit, Fragment wird zur Kraft. Am Ende bleibt der Eindruck, dass Emma Louise und Flume ein Terrain geöffnet haben, in dem Songwriter-Poesie und elektronische Konstruktion sich nicht bekämpfen, sondern ineinander verfallen. „DUMB“ ist ein mutiges, manchmal unbequemes, oft grandioses Album – eine Einladung, Unsicherheit nicht zu glätten, sondern klingen zu lassen.
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