
MOLLY TUTTLE
MOLLY TUTTLE verbindet auf RISE virtuoses Bluegrass-Handwerk mit introspektiven Songtexten, die zwischen leiser Melancholie, handfester Erzählkunst und gesellschaftlichem Bewusstsein changieren.
Molly Tuttle, längst kein unbeschriebenes Blatt in der US-amerikanischen Roots-Szene, tritt auf „Rise“ mit einer Selbstverständlichkeit auf, die verblüfft. Schon vor ihrem Debüt hatte sie als erste Frau in der Geschichte der International Bluegrass Music Association den Titel „Guitar Player of the Year“ gewonnen, als Gastmusikerin bei Korby Lenker für Aufmerksamkeit gesorgt und sich in einer Szene etabliert, in der technische Brillanz ebenso zählt wie das richtige Gespür für Timing. Mit gerade einmal sieben Songs baut sie hier eine Klangwelt, die mehr trägt als manch ein Langspieler.
Das Cover – Tuttle in einem schlichten weißen Hemd, den Blick seitlich abgewandt – wirkt wie ein stilles Standbild zwischen zwei Gedanken. Diese kontrollierte Zurückhaltung spiegelt sich in Stücken wie „Lightning in a Jar“, das zart gezupft zwischen Banjo, Pedal Steel und Standbass schwebt, während ihre Stimme jede Zeile wie eine vorsichtige Geste setzt. In „Good Enough“ mischt sich ein beschwingtes Bluegrass-Fundament mit der Erkenntnis, dass nicht jeder Kampf geführt werden muss: „There comes a time to say, that’s good enough“ – eine Zeile, die zwischen Resignation und Selbstschutz balanciert.
„Save This Heart“ öffnet die Dynamikschraube: von sanftem Beginn über knisternde Gitarrenspannung bis hin zum kontrollierten Ausbruch mit elektrischen Akzenten. „Friend and a Friend“ hingegen ist pure Bewegungsfreude, ein Song über den Zusammenhalt in einem oft einsamen Musikerleben, in dem der Traum und die abgewetzte D18-Gitarre ständige Begleiter sind. Und dann „Walden“: eine ökologische Meditation, die Henry David Thoreaus Transzendentalismus ins Heute holt, zwischen banjogetupften Stakkatofiguren und der unbehaglichen Frage, wie lange wir noch zusehen wollen, bis das Wasser nicht mehr steigt, sondern alles verschluckt.
„Rise“ ist kein reines Bluegrass-Album, obwohl Virtuosität und Tradition tief in den Arrangements verankert sind. Es ist ein Statement einer jungen Musikerin, die ihr Handwerk beherrscht, ihre Wurzeln kennt und genug Eigenwillen hat, um beides in eine Richtung zu lenken, die frisch, nachdenklich und unwiderstehlich klingt. Am Ende bleibt nur der Wunsch, dass diese sieben Stücke ein Vorspiel sind – und nicht das Maß der Dinge.
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