JOAN ARMATRADING
What’s Inside​

GENRE: Pop KLANGSTART: Mai 1995


WHAT’S INSIDE von JOAN ARMATRADING kein Meisterwerk im Sinne von Innovation oder Wucht – aber ein Werk von innerer Größe, von künstlerischer Reife und emotionaler Aufrichtigkeit.

Wenn man auf die Karriere von Joan Armatrading zurückblickt, denkt man nicht zuerst an eine Liste von Hits oder gar an ein bestimmtes Genre. Man denkt an eine Haltung. Eine künstlerische Unabhängigkeit, die nie laut war, aber immer präsent. Seit ihren ersten Alben in den 70ern – jenen eigenwilligen, zwischen Folk, Jazz und Soul pendelnden Werken – ist Armatrading eine Künstlerin, die sich nie dem Zeitgeist untergeordnet hat, sondern stets dem nachspürte, was in ihr vorging. „What’s Inside“, ihr neues Album im Jahr 1995, könnte keinen treffenderen Titel tragen. Es ist eine Art Selbstporträt – nicht erklärend, nicht distanziert, sondern fühlbar und nah.

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Man spürt sofort, dass dieses Werk in einer Übergangszeit entstanden ist. Es ist Armatrading’s erstes Album bei RCA, nach einer langen Phase bei A&M – ein Labelwechsel, der auch eine innere Zäsur bedeutet. Die Songs wirken konzentrierter, feiner gesponnen, intimer. Die Studioarbeit, großteils gemeinsam mit David Tickle in Studios wie Abbey Road oder The Plant durchgeführt, ist nicht auf Effekt, sondern auf Ausdruck hin produziert. Keine überladenen Klangflächen, sondern gezielte Tiefe. Jeder Ton scheint mit Bedacht gesetzt, nicht um zu beeindrucken, sondern um zu erzählen. „In Your Eyes“ eröffnet das Album mit einem leisen, fast jazzigen Puls, der sofort deutlich macht: Hier wird nicht nach dem großen Radiohit gesucht. 

Armatrading interessiert sich nicht für äußere Erwartungen. Sie will erzählen. Und das gelingt ihr auf bemerkenswerte Weise. Besonders „Everyday Boy“, ein Lied, das von einem Freund mit AIDS inspiriert wurde, bewegt nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich tief. Kein Pathos, keine Pose – nur Empathie und Wahrhaftigkeit. Die Gastmusiker, etwa das Kronos Quartet oder The Memphis Horns, fügen sich unauffällig in Armatrading’s Klangwelt ein. Sie sind nicht Showelemente, sondern Erweiterungen ihrer Stimme. Und genau das ist das eigentliche Wunder dieses Albums: dass alles, was es enthält – Orchester, Jazz, Blues, akustische Reduktion – letztlich Ausdruck einer einzigen Perspektive ist. Einer Stimme, die nicht gefallen will, sondern verstanden werden.

Das Artwork – ein blaues, stilisiertes Auge auf schwarzem Grund – wirkt zunächst abstrakt, offenbart aber mit der Zeit seine tiefe Symbolik: Sehen, gespiegelt werden, Einblick gewähren. Es ist eine Einladung, nicht nur Armatrading zuzuhören, sondern auch in sich selbst hineinzuhorchen.

„What’s Inside“ ist kein revolutionäres Album, aber ein sehr menschliches. Es ist leise, aber hartnäckig. Es will nicht beeindrucken, sondern bleiben. Und wohin führt dieser Weg weiter? Joan Armatrading wird sich noch weiter von gängigen Formaten lösen. Vielleicht wird sie sich tiefer dem Blues zuwenden, vielleicht der Kammermusik, vielleicht nur ihrer Stimme. Aber was auch immer kommt – sie wird uns auch weiterhin nicht zeigen, was gerade populär ist, sondern was wirklich in ihr ist. Und vielleicht – wenn wir Glück haben – auch in uns.

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Joan Armatrading – What’s Inside​

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