GWENIFER RAYMOND
Strange Lights Over Garth Mountain

KLANGPROFIL: unheimlich LABEL: Tompkins Square KLANGSTART: November 2020

GWENIFER RAYMOND entfesselt auf STRANGE LIGHTS OVER GARTH MOUNTAIN eine dunkle, walisische Klangwelt zwischen American Primitive, Folk Horror und eruptiver Fingerstyle-Intensität, die ihr zweites Album zu einem unberechenbaren Gesamtkunstwerk macht.

Gwenifer Raymond hat sich schon mit ihrem Debüt „You Never Were Much of a Dancer“ von 2018 als Virtuosin auf der Akustikgitarre etabliert. Doch was damals noch wie eine Verbeugung vor ihren Vorbildern – von John Fahey bis Lead Belly – wirkte, schlägt nun auf „Strange Lights Over Garth Mountain“ in eine eigene Sprache um. In ihrem zweiten Werk spielt sie sich frei von Hommagen und zeigt, wie sich Punk-Energie, walisische Landschaftsbilder und die Tradition des American Primitive zu einer neuen Ausdrucksform verweben lassen. „I still say it’s punk music and I have no idea what key the last tune is in“, sagte sie einmal – eine Haltung, die sich auf jeder der acht Kompositionen spüren lässt.

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Schon der Opener „Incantation“ zeigt, wie Raymond Spannung aufbaut: Ein perkussives Intro führt in tiefe, pulsierende Bassnoten, die von einer nervösen Melodielinie durchbrochen werden. Dieses Changieren zwischen Ruhe und Bedrohung zieht sich durch das Album, das in Brighton während der Pandemie aufgenommen wurde, jedoch stark von Kindheitserinnerungen in Wales geprägt ist. „Coal Train Down the Line“ beschleunigt wie eine Lokomotive, die aus dem Nebel der Täler aufbricht, ein Stück, das sich nicht in Traditionen verbeißt, sondern sie zersägt und neu zusammensetzt. „Gwaed am Gwaed (Blood for Blood)“ trägt seine Aggression im Titel, in den schneidenden Tönen lauert eine feindselige Wucht. 

Doch neben diesen Attacken stehen Stücke wie „Marseilles Bunkhouse, 3AM“, die mit plötzlichen Rhythmuswechseln ein Gefühl von Paranoia erzeugen, oder „Ruben’s Song“, das mit fast lullabyhaftem Beginn täuscht, um dann in federnde Energie umzuschlagen. Besonders eindringlich wirkt das Titelstück, das seine eigentümliche Sprunghaftigkeit zu einer Art unheimlichem Abgesang steigert. Das Albumcover – Gwenifer Raymond barfuß mit Gitarre, neben einem überdimensionalen Hochzeitstortenarrangement, Puppen als Brautpaar – verstärkt diese schaurig-schöne Atmosphäre. Es wirkt wie eine Szene zwischen viktorianischem Ritual und surrealem Folk-Horror, in der Musik und Bild auf gespenstische Weise korrespondieren. 

Genau hier liegt die Kraft des Albums: in der Balance von Präzision und Kontrollverlust, von Virtuosität und dem Drang ins Unbekannte.

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Eine Frau mit Gitarre sitzt barfuß neben einer prunkvollen Hochzeitstorte, im Raum Kerzen, Blumen und viktorianische Details, Atmosphäre zwischen Folk und Gothic.

Gwenifer Raymond – Strange Lights Over Garth Mountain

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Wie eine Kerze, die in einem dunklen Raum flackert, entfaltet sich eine Atmosphäre voller Schatten und flüchtiger Bedrohungen. Die langen Stücke wirken wie Rituale, deren Strukturen sich langsam offenbaren, um dann plötzlich zu kippen. In Gwaed am Gwaed schlägt die Gitarre Funken, während Incantation eher beschwört als beruhigt. Zwischen kindlichen Erinnerungen an Züge und den surrealen „Strange Lights“ über der Bergspitze wächst eine Musik, die stets das Unbehagen im Rücken trägt.
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