
FAITHLESS
FAITHLESS kehren mit CHAMPION SOUND zurück: zwischen kollektiver Ekstase, Trauerarbeit ohne Pathos und einem vierteiligen Club-Roman, der große Melodien mit Spoken-Word, Dub-Echos und tranceverliebtem House verwebt.
Faithless tragen auf „Champion Sound“ ihr eigenes Erbe wie eine geerdete Fackel weiter. Die Vorgeschichte hängt hörbar in der Luft: Der Tod von Maxi Jazz 2022, die langjährige Partnerschaft von Rollo Armstrong und Sister Bliss, die Geschichte einer Band, die seit „Insomnia“ und „God Is A DJ“ Clubgeschichte in politische Poesie übersetzte. Der Auftakt legt die Fährte: „Forever Free“ schlingert durch verzogene Synths, schimmernde Akkorde, dann die Stimme des Abwesenden, ein letzter Gruß wie ein Segen. „Be as completely you as you can be“ – der Satz steht als Leitstern über der Platte und färbt die folgende Reise, die in vier Kapitel gegliedert ist und eher wie ein Roman gelesen werden will als wie ein bloßer Trackstapel.
Die erste Seite sammelt Antrieb und Trost. LSK’s „In Your Own Groove“ sendet eine trancige Umarmung in den Raum, der Refrain ruft „let the music set you free“, doch die Freiheit wirkt diesmal weniger triumphal, eher getönt von Erinnerung. „Peace and Noise“ verdichtet das Programm der Band: Suli Break’s declamiert, die Basslinie schiebt, zwischen den Zeilen glimmt eine stille Trauer, die auf die Tanzfläche darf. In der „Phone Number“-Sektion erwacht das narrative Element, das Faithless immer groß machte: „Meeting“, „Driving“, „Thinking“ bilden eine Miniatur über Begegnung, Nacht, Nachhall, in der Amelia Fox und Nathan Ball Momente festhalten, die sonst im Stroboskop zerrinnen.
Dann der lange Atem: „Book of Hours“ entfaltet über 24 Minuten eine balearische Liturgie, Orchesterfarben treffen Downtempo, die Zeit schaltet auf Dehnung. Das ist betörend, an manchen Stellen auch gefällig; nicht jede Passage rechtfertigt die Länge, die Dramaturgie verliert punktuell Spannung. Im Schlussteil rückt das Kollektiv zurück auf die Fläche. „Find a Way“ setzt Suli Breaks’ „We can find a way“ als Mantra gegen den Zynismus der Gegenwart, die spätere Singlefassung mit Dido klebt als Pop-Glimmer am Kern, ohne ihn zu verwässern. „Dollars and Dimes“ mit Bebe Rexha bringt Radio-Finesse, doch ihre Glätte berührt die zentrale Leerstelle nur bedingt: die fehlende, wiedererkennbare Erzählerstimme, die Maxi Jazz so oft bündelte.
Faithless lösen das mit Chor der Gäste, mit Groove-Spannung, mit Sound-Architektur – überzeugend, wenn die Poesie trägt, ausfransend, wenn Phrasen die Tiefe ersetzen. Genau dort zeigt sich die Ambivalenz dieses Albums: Würde, Hingabe, Handwerk stehen neben Überhang, einem Hauch Selbstzitat und einzelnen lyrischen Gemeinplätzen. Das Cover hilft beim Lesen: Ein Turm aus schwarzen Lautsprechern steht auf einer Wiese unter schwerem Himmel, als wanderndes Soundsystem, als Monument für vergängliche Nächte. Die Musik verhält sich ähnlich: Druckvolles Fundament, darüber Stimmen, die zusammenströmen, um Gemeinschaft zu bauen. Am Ende bleibt eine Band, die Trance, House und Dub immer noch zu Sprache formt, die nicht erstarrt, sondern tastend sucht und gerade darin findet.
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