“I don’t even remember making a lot of Pornography”, so Robert Smith von THE CURE. Das mag etwas damit zu tun haben, dass es auf dem gesamten Album um Selbstmord geht. Es ist ein langer Blick in den Abgrund und schrecklich intensiv.
Mit „Pornography“ erschien Anfang der 80er Jahre eines der wichtigsten und wegweisendsten Gothic Rock Alben der Geschichte. Eingefleischte Anhänger befinden diese Platte als das beste Album der Band, andere wiederum lehnen diese Veröffentlichung weitestgehend ab. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen: „Pornography“ ist viel besser als von letzterer Gruppe dargestellt, aber im Nachhinein nicht das Meisterwerk, wie die andere Seite behauptet. Der Gesamtsound ist üppig und trüb, aber zu matschig, um effektiv atmosphärisch zu sein.
Mit 22 Jahren stand Robert Smith, Sänger und Gitarrist von The Cure, kurz vor der Zerstörung. Nach ihrem knallharten Post Punk Debüt „Three Imaginary Boys“ im Jahr 1979 läutete die Band die 80er Jahre mit einem düstereren Sound und gewichtigeren Themen ein. Die tickende Selbstbeobachtung des zweiten Albums „Seventeen Seconds“ wurde vom Nachfolger „Faith“ in feierlicher Verzweiflung noch tiefer in den Abgrund getrieben. Als die Band ihr viertes Studioalbum „Pornography“ fertig stellte, war Smith gequält, in seine Dämonen verstrickt und dachte über Selbstmord nach.
Glücklicherweise hat sich Smith nicht ergeben. Er erkannte seinen düsteren Zustand und entwickelte „Pornography“ als letzten Bewältigungsmechanismus, um die bevorstehende Krise zu überleben. Er kanalisierte seine depressiven Gedanken und Tendenzen in die Songs und näherte sich dem Unterfangen mit heftiger Feierlichkeit und Absicht. Dabei beginnt das Album alles andere als erlösend, begrüßt es uns doch mit den Worten: “It doesn’t matter if we all die”. Kopfüber rasen wir auf etwas zu, einem Ziel, dass wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen können. Der zweite Titel des Albums liefert dann auch keine Klarheit. In der Tat ist es genau umgekehrt.
Das unendliche Nichts des eröffnenden Tracks hat uns zu einer blutverschmierten Kammer geführt, die uns mit verwirrten Echos und drogeninduzierten Zaubersprüchen um den Verstand bringen will. Der wache Albtraum setzt sich in der einzigen Single des Albums, „The Hanging Garden“, mit seiner illusorischen Freiheit fort. Die Flucht in die ungezähmte Natur scheint eine Pause zu sein, aber die Reinheit verwandelt sich schnell in Perversion. Kreischende Kreaturen sind im Gange und wir ziehen uns mit der Erkenntnis zurück, dass es kein Entrinnen geben kann.
Mit uns hat sich die Band damit fast von der Realität gelöst und schwelgt in ihrer eigenen Welt. Die Nächte im Studio erstreckten sich über die Morgendämmerung hinaus, und ein heftig betrunkener Smith war im ständigen Kampf mit seinen Dämonen. Tagsüber blieben The Cure beim Label Fiction Records in einem verwirrten, einschläfernden Zustand, der den Zugang zu Besuchern versperrte. “I slept on the floor behind the setee with a blanket drawing-pinned to the wall so it was like a tent. I had all these little bits, things I’d found in the street and taken back to my nest. It really got out of hand“, so Robert Smith.
Trotz dieses trüben Cocktails – mit schwankenden Teilen aus Alkohol, Halluzinogenen, Stimulanzien, Abgeschiedenheit, Streit und Depression – setzte sich der tobende Künstler in Smith durch. Und aus der nächtlichen klaustrophobischen Mischung kreischte zu uns plötzlich „Pornography“. Diese Platte ist metamorph. Es ist ein verprügelter Geist, der eingesperrt ist, in jeden schmutzigen Spalt späht und sich durcharbeitet. Es gibt nichts, was so klingt wie dieses Album. „Pornography“ von The Cure ist eine faszinierende musikalische Erfahrung. In gewisser Weise könnte es als das gehaltvollste Album angesehen werden, das jemals erstellt wurde, weil die Tracks sowohl musikalisch als auch textlich schwer verdaulich sind.
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