MARNIE STERN kann nicht schlafen. Nicht gut und zumindest nicht oft. Das sagt sie. Monatelang erfuhren wir nach Veröffentlichung ihres Debüts nichts von ihrer Schlaflosigkeit. Aber im Nachhinein ergab es Sinn: Wenn man ihre Musik zum ersten Mal hört, wird man auch nicht schlafen können.
Während das Debüt „In Advance of the Broken Arm“ von ihrer inzwischen überaus gefeierten Gitarrenpyrotechnik in einem weitläufigen, aber unbestreitbar eingängigen Popsong-Setting geprägt war, geht dieses Album in eine völlig andere Richtung. Marnie Stern wird hier von der gleichen Crew begleitet, die auch bei ihrem Debüt mitgewirkt hat: Schlagzeuger Zach Hill und Bassist und Ingenieur John Reed Thompson. Musikalisch wirkt dieses Set wie das rockigere Zwillingsalbum von Hill’s brillantem und verrücktem „Astrological Straits“. Die Tempi schwanken wild hin und her, von Thrash über fast proggige Stop-and-Start-Exzesse bis hin zu No-Wave-Konstruktionen undefinierbaren Ursprungs. Der eher innerliche emotionale Umfang von „In Advance of the Broken Arm“ wird in den Wind geschlagen, da surreale, gebrochene lyrische Konstrukte zu dieser ehrgeizigen mentalen hybriden Art von Gitarrenrock passen.
Während Hill’s Produktion den reduzierten Instrumentalstücken einer Band wie Shellac ähnelt, ist der Stil von Stern und Co. fokussierter als der von Steve Albini’s Band. Aber dieser Stil ist, anders als die Arbeit einer Band wie Sleater-Kinney, nicht an einer linearen Progression interessiert: „This Is It & I Am It & You Are It & So Is That & He Is It & She Is It & It Is It & That Is That“ kümmert sich nicht um verlängerte Melodien, Hooks oder traditionelle Pop-Song-Strukturen. Stern besetzt eine einzigartige Nische und ihre zweite Platte zeugt vom Können, dem Selbstvertrauen und dem rohen Talent ihrer Band. Das Tempo wechselt gnadenlos, ohne jedoch die Kohärenz des Albums zu beeinträchtigen. Der einzige problematische Aspekt des Albums sind die Texte: Obwohl sie eine weitere Ebene der Textur hinzufügen, wirken sie eher wie pseudotiefgründige Ausbrüche als wie raffinierte Aussagen.
Auf „The Package Is Wrapped“ singt Stern „There are dimensions I must enter to see what I am made of“, und dieses Album fühlt sich zweifellos sowohl freudig als auch wild an, auf eine Weise, die den Eindruck erweckt, dass sie sich ständig selbst auf die Probe stellt und mit Bravour besteht. Allerdings nicht perfekt: Die drei Songs, die auf das erstaunliche „Vault“ folgen, wirken antiklimatisch und unnötig. Da „This Is It & I Am It & You Are It & So Is That & He Is It & She Is It & It Is It & That Is That“ nur etwas mehr als 40 Minuten dauert, ist das etwas seltsam, aber es spricht eher für die Kraft von Stern’s Musik. Länger als etwa eine halbe Stunde in ihrer unerbittlich energiegeladenen Welt zu verweilen, kann von belebend und erfrischend bis, ehrlich gesagt, ein wenig ermüdend wirken. Aber es muss sicherlich etwas zählen, dass diese ersten neun Tracks, diese halbe Stunde, nahezu perfekt sind.
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