Geschwisterharmonien sind für Country so zentral, dass es bemerkenswert ist, dass die Schwestern SHELBY LYNNE und ALLISON MOORER noch nie zusammen gesungen haben und stattdessen parallele glitzernde Karrieren verfolgen.
Zu Beginn ihrer Karriere gab es eine Zeit, in der die in Alabama geborenen Schwestern Shelby Lynne und Allison Moorer darauf achteten, einander Raum zu geben. Sie tauchten selten bei den Aufnahmen der jeweils anderen auf oder äußersten sich zu den Karrieren des anderen. Sie konnten wahrscheinlich die Mystik spüren, die sich um die beiden herum aufbaute, zum Teil aufgrund der Art und Weise, wie sich die Menschen auf die gemeinsame Tragödie in ihrer Vergangenheit fixierten, aber vor allem, weil wir so selten gesehen haben, dass Geschwisterkünstlerinnen ihre gemeinsamen musikalischen Wurzeln im Southern Pop, im Country und amerikanische Soul-Traditionen ausloteten, während sie völlig eigene Identitäten für sich formen, Lynne ist die Verkörperung hartnäckiger Sinnlichkeit, Moorer ein Vorbild introspektiver Eleganz.
Beide standen Ende der 90er Jahre im Rampenlicht, als Moorer eine Reihe hochwertiger Singer-Songwriter-Alben auf großen Country-Labels herausbrachte und Lynne Abstand von Nashville gewann um als coole Anwärterin in der Welt des Erwachsenen-Pop aufzutreten. Keiner der auf „Not Dark Yet“ gecoverten Songs gilt wirklich als Obskurität, aber die Interpretationen von Moorer und Lynne stecken voller Überraschungen und voller persönlicher Überzeugung. Das Album verschwendet keine Zeit damit, Erwartungen zu untergraben, und beginnt mit einer Lesung von „My List“ der Killers, hier als spärlich kriechendes Akustikstück, bei dem die beiden Sängerinnen Verse austauschen und sich zu mitreißenden Harmonien treffen.
Auch die Songauswahl, die etwas konventioneller wirkt, bietet Überraschungen. Das Album enthält mehrere Country- und Folk-Standards, allerdings nie ohne einfallsreiche Neuinterpretationen. „Every time You Leave“ von den Louvin Brothers verzichtet beispielsweise auf die Rock’n’Roll-Elemente des Originals und setzt auf eine geradlinigere Kneipen-Country-Ästhetik, während Jessi Colter’s „I’m Looking for Blue Eyes“ spartanisch vorgetragen wird. „Not Dark Yet“ ist ein Leuchtfeuer, ein Schimmer des Möglichen. Es ist eine klare, schöne Aufnahme, die Lynne und Moorer hoffentlich etwas beweist: Dass das, was hier ist, ein Neuanfang ist und dass es noch viel mehr zu entdecken gibt.
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