Zwischen Müdigkeit und Aufbruch: Wie LET IT BE von THE BEATLES im Jahr 1970 den letzten Rest gemeinsamer Magie einfängt, rohe Tonbandnähe und orchestrale Erhabenheit vereint und das Ende einer Ära leise verkündet.
Es ist, als hörte man eine Tür sich schließen. „Let It Be“ erscheint in einem Frühjahr, das nach Abschied schmeckt, nach dem Rauch vergangener Nächte, nach dem letzten Aufglühen einer Vokalgruppe, die die Sprache der Moderne neu erfand. Diese Langspielplatte trägt in sich die Spuren einer Erschöpfung, aber auch den Trotz einer noch einmal aufleuchtenden Gemeinschaft. Die Aufnahmen wirken ungeschliffen, mitunter fast zufällig. Die Stimmen liegen dicht beieinander, dann wieder entfernt, als fände das Quartett nicht mehr denselben Atem.
Die ersten Takte von „Two of Us“ öffnen ein Fenster zu einer vertrauten Intimität: zwei Stimmen, die sich suchen, sich erinnern, den Faden eines Freundschaftsgesangs aufnehmen. „Across the Universe“ dagegen scheint aus einem anderen Raum zu kommen – gläsern, schwebend, von einer beinahe religiösen Ruhe getragen. Lennon klingt hier, als wolle er die Welt nicht mehr erreichen, sondern nur noch einen inneren Horizont berühren. Paul McCartney hält dagegen: mit den hymnischen Klängen von „Let It Be“, dieser beschwörenden Mischung aus Klavier und Orchesterbegleitung, die zugleich Trost und Resignation vermittelt.
Zwischen diesen Polen – improvisiertes Spiel und überladene Klangflächen – entfaltet sich ein Album, das mehr Dokument als Konzept ist. Man spürt den Willen zur Rückkehr zur Einfachheit, zur Klarheit der frühen Jahre. Doch die Studioarbeit von Phil Spector überzieht einige Stücke mit einem Schleier aus Streichern und Chören, als müsse der Riss im Gefüge mit Samt verkleidet werden. McCartney scheint sich dagegen aufzubäumen, Lennon wirkt bereits abgewandt, Harrison tastet nach eigenen Linien, Ringo hält den Takt wie ein letzter Rest Ordnung.
In der Gleichzeitigkeit von Nähe und Distanz, von Wärme und Müdigkeit liegt der eigentliche Reiz dieser Platte. Sie klingt nach einem Abend, an dem niemand mehr weiß, ob man sich noch einmal sehen wird. Die Beatles verabschieden sich nicht mit einem Feuerwerk, sondern mit einem leisen Nachklang. In der aufgeräumten Trägheit dieser Aufnahmen schwingt der Verlust einer Dekade mit – das Ende der Sechziger, das Nachhallen der Utopien, die Erkenntnis, dass selbst die hellsten Stimmen einmal müde werden. „Let It Be“ ist weniger ein Schlussstrich als ein stilles Ritual: ein Gebet, das nicht mehr erhört werden muss, weil seine Wahrheit längst ausgesprochen ist.
Transparenzhinweis: Dieser Beitrag enthält Affiliate-Links. Wenn du über diese Links kaufst, erhält MariaStacks als JPC/Amazon-Partner eine kleine Provision. Für dich bleibt der Preis gleich.