Plastiscines – LP1

Rock, VÖ: Februar 2007

Jeder Mensch mit einem kleinen bisschen Interesse an Musik, wird dieses Gefühl bereits einmal erlebt haben: Es findet sich in den Tiefen des Internets eine Band, die von einem Freund vorgeschlagen oder selbst entdeckt wurde und bei der nach dem ersten Durchlauf nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, was man selbst am Ende eigentlich davon halten soll. Zumindest machen die gehörten Songs neugierig und trotzdem fehlt uns der Weg, die Stücke richtig einschätzen zu können. Meistens sind diese Momente der Anfang einer langen und innigen Liebe zwischen Hörer und der Musik. Sei diese nun auf einem Silberling, auf einer Vinylplatte, oder als MP3 festgehalten, sollten Gedanken dieser Art erst einmal auf die Seite geschoben werden. Ein weiteres Indiz: Nach Ende des letzten Tracks, erinnert man sich an kaum etwas und macht somit den zweiten Durchlauf zu einem völlig neuen Erlebnis. Und noch immer geben uns die Songs Rätsel auf. Noch immer begeistern Sie auf eine fast schon unheimliche und unerklärliche Weise. Was fasziniert uns so daran? Warum können wir es bereits nach dem vorletzten Track kaum noch erwarten wieder von Vorne zu beginnen? Nun das gehört wohl zu einer natürlichen Reaktion, Instinktverhalten, das innere Bauchgefühl das einen leitet bis die Gedanken endlich in einer Reihe abrufbereit parat stehen. Und dieser gefühlten Endlosschleife, in diesem wunderbaren Delirium befindet man sich nach den ersten Durchläufen der Plastiscines aus Paris, Frankreich.

Kurz und schmerzlos tauften Sie Ihre Debütplatte auf den Namen ‚ LP1 ‚ und spielen darauf rohen, schmucklosen und dazu verdammt angenehmen Rock’n’Roll aus den Sechziger Jahren. Es ist ein Album mit endlosen Eigenantrieb. Energisch und ohne übertriebenes Vorspiel kommen die Plastiscines zum Höhepunkt. Zeigen auf dem Opener ‚ Alchimie ‚ Ihre französischen Wurzeln und spielen hier das, was bei den restlichen zwölf Songs seine Fortsetzung finden wird. Natürlich können jetzt einige sagen, warum sollte man hier eine lange Eingewöhungsphase benötigen? Selbstverständlich liegen die oben beschriebenen Aspekte stets im Auge des Betrachters. Wir beschreiben lediglich den absoluten Idealfall für gut sortierte Gehörgänge, denen man aus Erfahrung nichts mehr so schnell vormachen kann. ‚ Loser ‚ glänzt im Mid-Tempo mit einem herrlichen Refrain und anmutigen Gitarrenriffs. ‚ Shake (Twist Around The Fire) ‚ ist der erste englischsprachige Songs, eine Mischung die generell auf ‚ LP1 ‚ sehr gut getroffen wurde, und überzeugt in erster Linie mit den kraftvollen Backround Vocals der restlichen Mitglieder. Es ist ein phantastisches Debüt ohne sichtliche Makel. Eine Mädchen Rockband, in der keine über 19 Jahre alt ist und trotzdem klingt, als würden Sie direkt aus der guten alten Zeit auferstanden sein, um den gesättigten Menschen von Heute wieder echte Musik um die Köpfe zu schlagen. Aktion gelungen kann man hier nur sagen.

‚ Mister Driver ‚ schiebt sich unaufhaltsam und mit einer dominierenden Katty Besnard durch die knappen zwei Minuten. Französisch wird es wieder mit dem folgenden Stück ‚ La Régle Du Jeu ‚ und einem intensiven Spiel der Gitarren. Auf den ersten Blick mag vieles gleich klingen. Unterschiede lassen sich erst in späteren Durchläufen deutlich ausmachen und vielleicht liegt genau hier der betörende Reiz. Ähnlich ging es manchen mit der damaligen Veröffentlichung der Thermals und Ihrer Platte ‚ More Parts Per Million ‚. Unvergessliche Songs mit einer unglaublich langen Haltbarkeitsdauer. Ob es bei den Plastiscines ähnlich laufen wird kann an dieser Stelle natürlich niemand sagen. In Frankreich hat sich das sympathische Quartett in jedem Fall ins Interesse der Öffentlichkeit spielen können und das nicht zuletzt durch die lockere und witzige Art der Plastiscines. Eigenschaften die besonders in den beiden Songs ‚ Zazie Fait De La) Bicylette ‚ und ‚ Pop In , Pop Out! ‚ deutlich werden. Ersteres klingt wie eine rockige Version eines Kinderliedes und Zweiteres stürmt als Instrumental durch gerade mal 71 Sekunden. Dazwischen ein sehr erwachsenes Stück mit verhaltenen Beginn und traumhaft schönem Ausklang. So muss sich wohl der Ritt in die untergehende Sonne anfühlen. Weiteres Highlight ist ‚ Rake ‚ mit den markanten Gitarrenriffs.

Ein Song der mit großer Ausnahme nach dem ersten Durchlauf so manchen im Gedächtnis bleiben dürfte. Auch ‚ Tu As Tout Prévu ‚ ist eine luftig lockere Nummer im klassischen Sinn der Sixties. Und nach unzähligen Durchläufen kann an dieser Stelle auch der einzige und wahrlich sehr gut versteckte Schwachpunkt ausgemacht werden: ‚ Human Rights ‚ ist zu einfach und oberflächlich gestrickt, auch will der Refrain nicht aufgehen, bleibt aber der einzige graue Punkt auf einer ansonsten blütenweißen Decke. Doch schnell vergessen sind diese Minuten mit dem Beginn von ‚ Lost In Translation ‚, dem wohl treibendsten Stück auf ‚ LP1 ‚. Den gröhnenden Abschluss bildet schließlich ‚ Under Control ‚ mit sichtbaren Tiefgang und Wechsel innerhalb der ansonsten sehr streng gehaltenen Strukturen. „Perfekt“ ist das abschließende und treffende Wort. Die Plastiscines haben alles richtig gemacht. Kamen aus dem nichts und werden in den nächsten Monaten und vielleicht auch Jahren eine große Fangemeinde um sich sammeln können. Bleibt nur zu hoffen, das die Zukunft Ihre unbekümmerte und natürliche Art erhalten wird. Doch jetzt Schluss und rein in das erneute Vergnügen!

8.2