Pissed Jeans – Honeys

Rock, VÖ: Februar 2013
Korvette’s Themen – sexuelle Frustration, Altern, Konformität, Langeweile, Scheitern – stehen im Kontrast zu den schleifenden, wunderbar lockeren Riffs. Leid wird zum Lachen, Langeweile zum Drama. Schmuddelige Punk-Traditionalisten oder Grunge-Revivalisten? Es ist unwichtig, die PISSED JEANS sind so schwer abzuwenden wie eine Massenkarambolage.

Verdammt nochmal! Ich musste gestern einfach mit den Füßen den Boden in das Erdreich treten. Ich musste meine Fäuste gegen die kalten Betonwände prügeln. Ich musste mit aufgerissenem Mund jedes einzelne Wort in wahnwitziger Hysterie aus meiner Kehle spucken und ich brauchte verdammt nochmal in diesen 2:38 Minuten auf niemanden Rücksicht nehmen. Jeder kennt diese beschissenen Arbeitstage, an denen nichts gelingen will, einem die trübsinnige Stimmung nicht aus den Gliedern entweichen will und man zu allem Überfluss auch noch den Kater von der letzten Nacht bis in den späten Nachmittag überdeutlich zu spüren bekommt. „Warum musstest du auch die letzte Nacht so hemmungslos die Sau rauslassen?“ Weil man das so bei den Pissed Jeans machen muss. Fragen einer Unwissenden. Ich widme mich wieder meinem pochenden Schädel und denke zurück: an „Bathroom Laughter“, dieses widerspenstige und lärmende Ungetüm aus übersteuerten Gitarren, ekelerregenden Auswürfen des Sängers Matt Korvette und den stoisch hämmernden Drums.

An „Chain Worker“, dieses übelriechende Kaumgummi und seinen schmierigen Farben. Widerlich! Aber nur so riechen bei den Pissed Jeans die Themen sexuelle Frustration, Alterung, Konformität und grenzenlose Langeweile. „I drink my alcohol deep into the core of my bones/ Until it completely dissolves/ And I cry red, angry tears that no one sees“. Gegründet haben sich die Pissed Jeans in Allentown, Pennsylvania, und veröffentlichten 2005 Ihr erstes Album „Shallow“ über Parts Unknown Records. Vor sieben Jahren ging es dann nach Philadelphia und dort erschien dann über Sub Pop ein Jahr später Ihre zweite Platte „Hope For Men“. Seitdem herrscht dieser Alptraum in meinem Kopf, dieses Elend zu jeder neuen Veröffentlichung und doch lernt man mit der Zeit ein wenig besser damit umzugehen. Okay.

Dieser oben genannte Ausbruch gehört nunmal dazu, aber die Fesseln des Seins lockern sich und auch bei den Mitgliedern der Pissed Jeans hat sich über die letzten Jahre so manche Einsicht in die eigene Gedankenwelt geschlichen: „I think we’ve certainly moved further into adulthood and more responsibilities,“ so Frontmann Matt Korvette. „We all have families of our own at this point, and generally just feel less like wild and immature kids and more like adults, which is a pretty horrifying prospect in a lot of ways. There’s less teenage/post-teenage angst in our lives. Now it’s all adult angst.“ Musikalisch muss man aber als treuer Gefangener der Pissed Jeans keine Abstriche hinnehmen. Die knochentrockenen Riffs und die zähneknirschenden Rhythmen liegen erneut verdammt schwer im Magen und besonders der Track „Cafeteria Food“ lastet tonnenschwer auf unseren Körpern. Ein wahrer Genuss für alle Masochisten.

Zwar verwischen sich danach ein wenig die Konturen untereinander, aber bevor man den Pissed Jeans Beliebigkeit vorwerfen könnte, schmettern sie uns mit „Cathouse“ auch schon ein hartes Brett vor den Schädel und beginnen dann mit dem Holzhacken. In „Loubs“ erwarten uns die schräge Präzision voranpolternder Beats und dahinsiechende Gitarren-Riffs auf Endlosschleife. Wer es tatsächlich bis hierhin geschafft hat, noch immer auf beiden Beinen zu stehen, dem dürfte gegen Ende des vorletzten Tracks „Health Plan“ endgültig der Stöpsel gezogen werden. Und damit sind wir uns alle einig: Mit „Teenage Adult“ fallen wir nach diesem aufwühlenden Kraftakt zusammen. Wir liegen auf dem schmutzigen Boden. Es geht einfach nichts mehr. Der Saft ist raus. Es heißt bis morgen warten. Und bis dahin sollten auch die lästigen Kopfschmerzen für eine neue Runde mit den Pissed Jeans abgeklungen sein…

8.5