MARIAH THE SCIENTIST
HEARTS SOLD SEPARATELY

KLANGPROFIL: melancholisch LABEL: Epic Records / Buckle Laboratories KLANGSTART: September 2025

Zwischen Burning Blue und Plastik-Soldatin: MARIAH THE SCIENTIST macht aus verletzlicher Loyalität, 80er-Synth-Glanz und kalten Kriegsmetaphern ein konzentriertes R&B-Album, das Liebe als Waffe, Risiko und Forschungslabor zugleich seziert – produziert von Nineteen85, mit Kali Uchis als prägnanter Gegenstimme.

Mariah Amani Buckles hat die Biologie nie ganz verlassen, sie hat nur das Experimentierfeld gewechselt. Aus der St. John’s-Stipendiatin wurde eine Songschreiberin, die Beobachtung und Versuchsanordnung in Beziehungssongs übersetzt. „HEARTS SOLD SEPARATELY“ bündelt diese Methode schärfer als zuvor: zehn Stücke, eine strenge Ästhetik, eine zentrale Metapher. Auf dem Cover steht eine grüne Plastik-Soldatin vor rosa Grund, klein, starr, bereit zum Salut. Dieses Bild – Frauen als „toy soldiers“, die für Liebe ihr Leben riskieren, während Männer sie wie Wegwerf-Figuren behandeln – zieht sich in die Texte, in die Arrangements, sogar in die Produktionsentscheidungen. Nineteen85 fungiert als ausführender Architekt, bringt Raum, Tiefe, Textur. Mariah formuliert kurz, oft kühl, dann plötzlich brennbar. Das setzt einen Rahmen, in dem sich Verletzlichkeit nicht als Schwäche, sondern als Doktrin liest.

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Der Auftakt „Sacrifice“ erklärt das Programm offen: „Ain’t nothing that I wouldn’t quit / Every drug and every man I’ve kissed“, eine Selbstverordnung gegen Selbstzerstörung, getragen von luftigen 80er-Synth-Flächen. Das klingt nicht nach Nostalgie, eher nach abstrakter Neuauslegung jener Epoche, wie sie selbst sagt: Die eigenen 80s seien „more abstract“. „Burning Blue“ liefert den Durchbruch, produziert von Jetski Purp und Nineteen85, mit dem schimmernden Puls aus Justin Timberlake’s „Until the End of Time“. Der Song spielt mit Temperaturwechseln, mit blauen Flammen und kaltem Schweiß: „My cold sweat dripping everywhere… as long as you’re right here“. Mariah balanciert Distanz und Hingabe, verweigert Pathos, riskiert unmittelbare Körperlichkeit. „Rainy Days“ weitet den Blick, zart phrasiert, fast geflüstert. Hier zählt die Linie, nicht der Gipfel. „Eternal Flame“ baut daraus ein Diagramm des Nachglühens, minimal instrumentiert, dafür lyrisch verdichtet. 

In „All I Want + In Pursuit“ wird die Intimität des Leisen zur Produktionsmaxime, die Stimme im Vordergrund, die Pads wie Atem. „Like You Never“ verfolgt die Idee der tabula rasa, die Bitte um Liebe ohne Vorakte, bleibt jedoch klanglich das unauffälligste Kapitel. Anders „United Nations + 1000 Ways to Die“: Die erste Hälfte hebt Liebe auf eine überpersönliche Ebene, Mariah bittet um Vergebung „for the fuss and fighting“, verknüpft Glauben, Ethos, Politik der Zärtlichkeit; der anschließende Sturz in den Verrats-Katalog bringt die private Tragweite zurück. Das dramaturgische Zentrum liegt in „Is It a Crime“, dem Duett mit Kali Uchis. Mariah setzt die Frage nach gesellschaftlicher Vermessung von Liebe knapp: „Tell me, what’s it to ya? Tell me, is it a crime / To fall in love a couple times?“ Kali antwortet mit entwaffnender Besitzergreifung: „If loving me is jail, then you’re my prisoner / So let me throw away this key“. 

Zwei Perspektiven, ein Nenner: Selbstbewusste Romantik gegen das Tribunal der Außenwelt. „No More Entertainers“ schließt die Wunde, benennt Spielregeln, die aus Nähe Entertainment machen: „You’re just an entertainer“. Das ist keine Bitterkeit, eher nüchterne Buchführung nach der Schlacht, die Soldatin vom Cover wieder in Habachtstellung, doch nicht mehr bereit, blind zu marschieren. Die musikalische Sprache bleibt konsequent: schlanke Beats, schimmernde Synths, punktgenaue Bassläufe, viel Luft für Silben und Nebenbedeutungen. Mariah hat den Schreibprozess umgedreht, häufig Text zuerst, dann Klang – die Präzision spürt man. Entscheidend ist die Kooperation mit Nineteen85, der die Sängerin von YouTube-Loops in eine organische Produktion begleitet, die sie selbst als Suche nach „more fluffy, less sharp“ beschreibt. 

Das Ergebnis klingt weich gezeichnet, ohne zu verschwimmen: eine Amour-Folie, auf der jede Falte zählt. „HEARTS SOLD SEPARATELY“ ist kein Triumph der großen Stimme, sondern des klaren Kopfes, der den Schmerz seziert, bevor er ihn kuriert. Der kleine, grüne Soldat im Rosa-Feld wird zur ikonografischen Fußnote dieser Analyse: Loyalität als Risiko, Zärtlichkeit als Disziplin, Liebe als wissenschaftliche Methode.

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Grüne Plastik-Soldatin salutiert auf rosa Fläche, minimalistisches Covermotiv zu „Hearts Sold Separately“.

Mariah the Scientist – HEARTS SOLD SEPARATELY

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Die Songs nähern sich Liebe wie einem Kriegstagebuch: kühle Synth-Luft, gedämpfte Drums, Zeilen, die eher flackern als flammen. „Rainy Days“ streckt Silben wie Regentropfen, „Burning Blue“ kühlt die Haut, bevor sie zu brennen beginnt, „No More Entertainers“ wischt Schminke aus den Augen, lässt die Bühne leer zurück. Über allem die Soldatin, klein, standhaft, im rosa Niemandsland: keine heroische Pose, eher Nachsorge nach Gefechten. Diese Trauer hat Richtung, sie richtet das Zimmer, zählt Verluste, hält trotzdem Platz frei. Melancholie funktioniert hier als Arbeitslicht, nicht als Schleier: sachlich, klar, mit einer Restwärme, die nicht vergeht.
melancholisch