Wenn Stimme, Schleimpilz und Streichquartett ein Bündnis schließen: LYRA PRAMUK’s neues Album HYMNAL ist ein experimentelles, spirituelles Kunstwerk zwischen Techno-Intuition, planetarer Sorge und glitzernder Hoffnung.
Ein nackter Hals, der sich dem Himmel entgegenstreckt. Ein Blick, der nichts fordert, nur empfängt. Auf dem Cover von „Hymnal“ zeigt sich Lyra Pramuk wie aus einer anderen Zeit – oder aus keiner mehr. In der Dämmerung zwischen Tag und Nacht scheint ihr Körper zur Landschaft zu werden, ihr Gesicht zum Antennengeflecht für etwas Höheres. Kein Make-up, kein Schmuck, keine Pose – nur Präsenz. Es ist das erste Gebet des Albums: lautlos, aufrecht, offen. Genau so klingt auch „Hymnal“.
Das Album ist kein typischer Nachfolger zum gefeierten „Fountain“, sondern eher eine nächste Häutung. Die Stimme bleibt das Zentrum – aber diesmal ist sie nicht allein. Der Berliner Sonar Quartett liefert Streicher, die atmen und vibrieren wie Tierhäute, poetische Fragmente von Nadia Marcus werden von einem Schleimpilz kartiert und fließen in das Vokabular der Songs. Pramuk singt nicht über die Welt, sie singt aus ihr heraus. „Licking the soil, licking the sun“ heißt es auf „Meridian“ – genau die beiden Pole, zwischen denen sich auch ihr Blick auf dem Cover spannt.
Tracks wie „Unchosen“ und „Swallow“ lassen sich wie Bäche hören, deren Quellen in Kathedralen und Clubs gleichermaßen liegen. Auf „Reality“ wird die Stimme fremd, tief, maschinell – und doch bleibt sie zutiefst menschlich, weil sie nicht vorgibt, sich anpassen zu müssen. Pramuk’s Gesang kennt keine Norm, kein Geschlecht, keine Gravitation. Sie bewegt sich frei – wie das myzelartige Wachstum ihres musikalischen Denkens.
Das Cover zeigt sie im Moment völliger Hingabe – und dieser Moment hallt in „Solace“ wider, wo sich Klang wie Morgentau auf einer noch unberührten Welt absetzt. Es ist einer der wenigen klaren, tröstenden Momente auf einem ansonsten fordernden, vielschichtigen Werk. Doch selbst hier bleibt das Album seinem Titel treu: „Hymnal“ ist keine fromme Andacht, sondern ein weltliches Gebet für alle, die noch an die Kraft kollektiver Transformation glauben – mit Schleimpilz, Geige und Gesang.
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