Lindemann – F & M

Rock, VÖ: Dezember 2019

Wenn man darüber nachdenkt, scheint es der perfekte Zeitpunkt für Lindemann zu sein, ein neues Album herauszubringen. Zum einen ist es das Ende des Jahres, in dem jeder den letzten Anstoß unternimmt, seine Projekte vor die Tür zu bringen, aber in einem Jahr, in dem wir bereits ein neues Rammstein-Album hatten, fühlt sich mehr Material von Till Lindemann’s Nebenprojekt wie ein geeigneter zweiter Gang an, um die Dinge abzurunden. Das soll natürlich nicht verunglimpfen, aber die offensichtlichen Parallelen zwischen hier und Rammstein waren immer zwischen dem industriellen Stampfen und dem verdrehten Sinn für Humor da. Und an sich ist das in Ordnung. 

 

2015 war „Skills In Pills“ ungefähr so ​​unterhaltsam wie eine Dosis Rammstein-light und es besteht kein wirklicher Zweifel, dass „F & M“ die gleichen Ergebnisse liefern kann. Die Räder wurden in diesem Jahr bereits im Hinblick auf die musikalische Leistung des Frontmanns geschmiert und die Tatsache, dass Rammstein’s selbstbetiteltes Album vor einigen Monaten sich deutlich gegenüber den letzten Veröffentlichungen verbessern konnte, ist ein gutes Zeichen dafür, wonach ein Album wie dieses streben kann. Frontmann Till Lindemann ist schon seit 2010 damit beschäftigt, an seinen eigenen künstlerischen Bemühungen zu arbeiten, und arbeitete 2018 zusammen mit Lindemann’s Mitverschwörer Peter Tägtgren an der modernen Bühnenadaption von Hänsel und Gretel. 

Lieder aus der entsprechend dunklen und perversen Nacherzählung fanden später neues Leben in Lindemann’s zweiter Veröffentlichung „F & M“. Wie bei „Skills In Pills“ aus dem Jahr 2015 können beide Männer mit „F & M“ ihre Flügel von ihren Hauptaufgaben bei Rammstein und Pain ausbreiten. Die überzeugendsten unter ihnen stammen von Hänsel und Gretel. Zu diesen Höhepunkten zählen das hämmernde „Allesfresser“, das explosive „Knebel“ und das schöne „Schlaf Ein“. Die sowohl theatralischen als auch emotionalen Tracks fügen sich nahtlos in die Songs ein, die für das Album geschrieben wurden. Sie sorgen für atmosphärische Angst, dramatische Einflüsse und eine Tiefe, die man bei „Skills In Pills“ einfach nicht findet.

Für die Rammstein-Fans sind die Nicht-Hänsel- und Gretel-Songs so vertraut, als wären sie verlorene Rammstein-B-Seiten (das pulsierende Industrial-Disco „Platz Eins“ führt zurück zur ausgewaschenen Synth-Herrlichkeit von „Herzeleid“). Die ersten zwei Tracks wirken wie ein netter kleiner Opener und wiegen uns beinahe in einem falschen Gefühl dafür, wie das Album unserer Meinung nach klingen wird. Tägtgren’s charakteristischer Sound ist hierbei überall präsent. Aber so wie wir uns in die Komfortzone begeben, wird ein scharfe Kurve mit „Blut“ geworfen. Es ist ein dunkles Lied, das unerbittlich und bedrohlich dahin marschiert.

Insgesamt bleibt „F & M“ bei dem, was Till und Tägtgren am besten können: Riffs zermalmen und hoch aufragendes Theater mit einem Augenzwinkern und einem fiesen Grinsen zum Einfall zu bringen. Lindemann und Tägtgren erforschen bei „F & M“ verschiedene Facetten ihrer musikalischen Persönlichkeit, um eine vielseitige Kollektion zu schaffen, die niemals untätig oder langweilig wird.

7.1