Wie LIDO PIMIENTA mit LA BELLEZA die europäische Klassik entkolonialisiert und das kollektive Gedächtnis ihres karibischen Erbes in orchestrale Lichtbahnen überführt.
Was geschieht, wenn eine Frau mit indigenen Wurzeln, geschult in westlicher Kunsttheorie, beschließt, ein klassisches Album zu schreiben – aber nicht, um sich anzupassen, sondern um den Kanon selbst zu verschieben? Dann entsteht ein Werk wie „La Belleza“. Lido Pimienta lässt sich auf ihrem vierten Album nicht länger auf das Label „World Music“ reduzieren. Sie zerlegt es, verschmilzt barocke Struktur mit karibischer Seele – und entwirft in neun Sätzen ein musikalisches Manifest.
Nach „Miss Colombia“ – ein Album zwischen elektronischem Pop und Afro-Colombian Rhythmen – markiert „La Belleza“ einen radikalen Kurswechsel. Statt Clubnächten: gregorianische Chöre, Harfen, Flöten und ein 66-köpfiges Orchester. Doch die Stimme bleibt: rau, klar, kompromisslos ehrlich. „Overturn“ öffnet das Werk wie ein Vorhang im Opernhaus – eine Obertura der ewigen Suche nach Licht. In „Ahora“ marschieren die Streicher wie Armeen einer inneren Revolution. Es ist ein Schlachtruf, der sich nicht nur an die koloniale Vergangenheit richtet, sondern an die eigene.
„Mango“ – scheinbar zart, tatsächlich ein erotisches Epos. „Aún Te Quiero“: ein musikalischer Rückblick auf ein Ich, das man liebt, aber verlassen muss. Und dann „¿Quién Tiene La Luz (El Perdón) – ein Abstieg in die Tiefe, das Zwiegespräch mit dem Schmerz. Doch selbst hier bricht sich Licht die Bahn. Der Schlussakt „Busca La Luz“ erhebt sich wie ein Gebet – nicht zu einem Gott, sondern zur inneren Stärke, zur kollektiven Freude.
„La Belleza“ ist mehr als ein Album. Es ist eine klanggewordene Dissertation über Dekolonisation, Mutterschaft, Armut, Licht und Überleben. Und es ist der Beweis, dass klassische Musik dann am lebendigsten ist, wenn sie nicht auf Notenpapier beginnt, sondern im Herzen einer Frau, die das System durchdrungen hat – nur um es schöner zu machen.
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