Zwischen Wut, Selbstbefreiung und zarter Klarheit entfaltet JOSIENNE CLARKE auf A SMALL UNKNOWABLE THING ein vielschichtiges Werk zwischen Folk, Jazz und Rock, das radikale Eigenständigkeit mit emotionaler Präzision verbindet und die Grenzen des Singer Songwritings neu auslotet.
„A Small Unknowable Thing“ ist kein sanfter Neuanfang, sondern ein kontrollierter Ausbruch. Josienne Clarke, einst gefeierte Hälfte eines preisgekrönten Folkduos, nutzt ihr zweites Soloalbum, um die Brüche ihrer Vergangenheit in musikalische Selbstbehauptung zu verwandeln. Nach Jahren, in denen andere über ihre Rolle bestimmten, schreibt, arrangiert und produziert sie nun alles selbst. Der Klangraum, den sie dabei öffnet, ist zugleich entschlackt und von innerer Spannung durchzogen. Songs wie „Sit Out“ oder „Chains“ verhandeln Macht, Kontrolle, Eigenverantwortung. Die Gitarren scheinen sich gegen unsichtbare Fesseln zu stemmen, das Schlagzeug arbeitet wie ein Ventil gegen aufgestauten Druck, während Clarke mit ruhiger Stimme den Widerstand formuliert: kein Schrei, sondern eine nüchterne Weigerung, sich weiterhin vereinnahmen zu lassen.
Zwischen den eruptiven Momenten liegen leise Reflexionen. „The Collector“ entfaltet in schwebender Orgeltextur und akustischen Schatten ein fast filmisches Nachdenken über Besitz und Identität, während „Tiny Bit of Life“ das Jazzhafte ihrer Handschrift offenbart: eine Spur Leichtigkeit im Spannungsfeld von Melancholie und Trotz. Selbst die zartesten Stücke tragen Spuren von Unruhe, etwa „If It’s Not“, das Verletzlichkeit nicht als Schwäche, sondern als präzise Beobachtung formuliert. „Unbound“ schließt diesen Zyklus mit der Gewissheit, dass Heilung Zeit und Distanz braucht: „Time is a great healer“, singt Clarke, und die Zeile wirkt wie ein leiser Schlussstrich unter eine zu lange verdrängte Geschichte.
Das Cover spiegelt diese Ambivalenz: Clarke hinter einem orangefarbenen Schleier, halb verborgen, halb sichtbar, umgeben von künstlichen Schmetterlingen. Eine Szene zwischen Tarnung und Transformation. Die warme Farbfläche wirkt wie eine Membran zwischen innerer Verletzung und äußerem Licht. So steht das Album in seinem Kern für Selbstbestimmung ohne Triumphgestus. Clarke komponiert keine Hymnen, sie seziert Zustände. Ihre Stärke liegt nicht in Lautstärke, sondern in der Kontrolle über die eigene Stille. „A Small Unknowable Thing“ ist das Werk einer Künstlerin, die die Verletzung nicht abstreift, sondern in Kunst verwandelt – kühl, klar, kompromisslos.
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