Gossip – A Joyful Noise

ElectronicPopRock, VÖ: Mai 2012

Wir schreiben das Jahr 1977. Ein Album mit Namen ‚ The World Starts Tonight ‚ erschien und gab erste Hinweise (zugleich ein Versprechen) auf große Dinge, die uns damals noch bevorstehen sollten. Gemeint ist das Debüt von Bonnie Tyler. Eindrucksvolle Songs zu einer bewundernswerten Stimme. Diese Kombination ebnete den Weg für Tyler und Ihrem Team um Jim Steinman. 35 Jahre später erscheinen Gossip inmitten dieser blühenden Landschaft, Christus lebt – doch ist unsere Erde für diese wiedereinordnende Wandlung schon bereit? Musikalisch gibt sich der Track aus kommerzieller Sicht keine Blöße. Hymnische Refrains, simpel gestrickte Melodien und süsse Gesänge. Es ist mehr eine Ballade, kein energisches Punk-Gefühl wie noch zu Zeiten von ‚ Standing in the Way of Control ‚ aus dem ebenso fernen Jahr 2006. Aber was soll’s. Die Konzentration, das Adrenalin stößt in Richtung Chart-Höhenflug. Wer hätte noch vor drei Jahren diesen Erfolg für möglich gehalten? Es ist ohne Frage eine Überraschung. Aber ebenso auch das kratzige Eröffnungsstück ‚ Melody Emergency ‚ mit seinen dumpfen Synths und den schleppenden Gitarren.

Für die kommerziell ausgerichtete Fangemeinde von Gossip sicherlich ein unangenehmer Einstieg. Doch der geliebte Song lässt nicht lange auf sich warten und ‚ Perfect World ‚ entführt uns in die glitzernde Welt von Pop-Genie Brian Higgins, der in den vergangenen Jahren u.a. mit Kylie Minogue, Girls Aloud, Saint Etienne, Texas und den Pet Shop Boys gearbeitet hatte. Eine schöne Kombination aus den beiden ersten Songs ist der polierte Dance-Pop Track ‚ Get A Job ‚ mit seinen gedämpften Gitarren, den plastikartigen Drums und einer halb-rappenden Beth Ditto: „I’d love to stay and party, but I’ve gotta go to work“. Und dann verliert die kreative Vision Ihren mystischen Glanz. ‚ Move In The Right Direction ‚ ist zweifelsohne ein Clubhit, leicht durchschaubar und nahe der Oberfläche schwimmend – aber das sollte es auch schon gewesen sein. ‚ Casualties Of War ‚ und ‚ Into The Wild ‚ sind anschließend musikalische Leichtgewichte und offenbaren sich relativ ungeniert als reine Routinearbeiten. Die Aufnahmen zu ‚ A Joyful Noise ‚ fanden in Higgins Xenomania-Studio in England und den KBC Studios in Portland, Oregon statt. „Ich habe das ganze Jahr nur Abba und überhaupt kein Radio gehört“, erklärt die Sängerin, deren neue Makeup-Kollaboration mit MAC Cosmetics im Sommer an den Start geht.

Das nur nebenbei, denn musikalisch will sich auch in den kommenden Minuten keine Dringlichkeit, keine Kreavität, keine Struktur, kein eigener Charakter und auch keine Nachhaltigkeit einstellen. Schimmernde Momente bestimmen das Album. Eine Abneigung gegenüber dem ehrlichen Experiment ist deutlich spürbar. Fürchten Gossip den kommerziellen Misserfolg? Bestimmt. Ansonsten könnte man auch die Makeup-Kollaboration bedenkenlos vergessen. Gossip leisten sich zwar im weiteren Verlauf keinen besorgniserregenden Mangel an einprägsamen Refrains – aber dafür benötigt man in der heutigen Zeit eigentlich nicht Gossip. Diesen Job erledigen andere Künstler. Die begleitenden Melodien klingen manchmal in der beliebigen Anzahl an homogenisierten Electro-Pop-Tracks austauschbar und auch die simplen Themen über Liebe und Beziehungen fallen unter das bekannte Sicherheitsdenken. Ein Verrat an sich selbst. Man bedenke die ersten beiden Veröffentlichungen. Schmutzige Riffs und eingängige Melodien.

Diese Kombination brachte jedoch kein Zasterchen – dafür Gesänge mit Druck auf die Tränendüsen: „When you fall down, do you hear the sound/ Of broken dreams, hitting the ground/ Baby please, we’re casualties of war.” Ganz im Stil von Madonna. Und dann noch dieser schwache Abschluss mit ‚ Love In A Foreign Place ‚. Was soll man schreiben. Es bleibt halt am Ende das offensichtlichste und zugänglichste Album von Gossip. Nicht mehr und nicht weniger.

5.2