First Aid Kit – The Lion’s Roar

AmericanaFolk, VÖ: Januar 2012
Das zweite Album der schwedischen Söderberg-Schwestern von FIRST AID KIT strotzt vor Charme. Aufgenommen in Omaha mit dem Saddle-Creek-Produzenten Mike Mogis und mit einem Cameo von Conor Oberst, ist es eine größere, bessere Platte als ihr Debüt, abgerundet mit dem Selbstvertrauen der Reife und einem sanften, selbstbewussten Indie-Country-Sound.

Wer bereits mit First Aid Kit in früheren Jahren Bekanntschaft machen durfte, hatte wohl mit dem neuen Titel „The Lion’s Roar“ einen kleinen Schock-Moment. Setzen Johanna und Ihre Schwester Klara Söderberg doch auf Understatement. Aber diese Zeiten scheinen vorbei zu sein, denn auf Ihrer zweiten Platte findet sich eine Erklärung an den eigenen Willen – Worte, die etwas größer, mutiger und stärker in unsere Herzen schlagen. Produziert von Mike Mogis von Bright Eyes, ist dies ein Album mit festen Blick auf die klassische Folk-Musik. Die explodierenden Gesänge und Echos deuten dabei unmissverständlich auf das Versteck Ihrer Einflüsse: Die geschichteten Harmonien von First Aid Kit klingen in der Gestaltung ähnlich, wie so mancher Song der Fleet Foxes. „Dance to Another Tune“ und „I Found A Way“ wären so feierliche Aspiranten und damit an dieser Stelle noch der Beweis folgt: „Tiger Mountain Peasant Song“ war die erste Veröffentlichung von First Aid Kit – ein Cover der Fleet Foxes.

Aber die Vergleiche auf die Seite geschoben und den Blick nach Schweden gerichtet. Denn obwohl das Duo viele viele Kilometer von der Heimat entfernt wohnt, wurden auf „The Lion’s Roar“ die schwedischen Wurzeln nicht vergessen. Und so finden wir Geschichten über Stockholm und lange Winterabende, gefüllt mit Herzschmerz, abwechslungsreichen Instrumentierungen und einem altmodischen Reiz. Die Herstellung dieser Melodien und Texte so simpel wie faszinierend: Man nehme eine beherzte Gitarre, Standard-Folk-Harmonien und als besondere Zutat den Gesang. Dieser isoliert den Hörer und fordert vollste Aufmerksamkeit. Ist der gleichnamige Der Titelsong noch launisch, erleben wir im weiteren Verlauf ein munteres Glockenspiel in „Blue“ mit hellen, schaumigen Melodien und einer tragischen Geschichte eines Mädchens, das die Liebe ihres Lebens bei einem Autounfall verliert: „Then you just decided love wasn’t for you/and every year since then has proved it to be true”. Es folgt „This Old Routine“ und die Erkenntnis: selbst eine müde und traurige Nummer wie „This Old Routine“ wird durch das Gefühl von Tragik und Melancholie auf schäumende Art und Weise wiederbelebt.

Insgesamt ist es eine polierte und saubere Produktion geworden. „The Lion’s Roar“ selbst ist ohne Frage äußerst beeindruckend, wärmend, atemberaubend und respektvoll. Es bietet für jeden Geschmack etwas, spielt mit Variationen, Stilrichtungen und besticht durch Beharrlichkeit. First Aid Kit sind schon lange keine Notlösung mehr, sondern ein Lebensrettendes Medikament der Hoffnung und Zuversicht, auf welches man in seiner Musiksammlung nicht mehr verzichten möchte.

8.6