
EMMA LOUISE
EMMA LOUISE wagt mit LILAC EVERYTHING einen radikalen Schritt: Wie das gepitchte Alter Ego „Joseph“ die Sängerin neu erfindet und Pop-Balladen zwischen Mexiko und Seattle zu einem intimen, grenzenlosen Werk formt.
Emma Louise war nie eine Künstlerin, die sich auf sicherem Terrain ausruhte. Bekannt wurde sie über Umwege: als ihre Stimme in Wankelmuts Remix von „My Head Is a Jungle“ über Europas Dancefloors fegte, bevor sie 2014 mit ihrem Debüt „Vs Head Vs Heart“ einen feinfühligen Gegenentwurf zur Clubästhetik vorlegte. Mit „Supercry“ zeigte sie 2016 eine elektronische Seite, glasklar und kontrolliert. Doch innere Unruhe ließ sie nicht los. Ein spontaner Flug nach Mexiko brachte die Wende: dort schrieb sie die meisten Songs für „Lilac Everything“ und fand den Mut, sich radikal neu zu erfinden.
Im Zentrum steht ein kühner Eingriff: Die Sopranstimme, die bisher ihr Markenzeichen war, wurde konsequent nach unten gepitcht. Entstanden ist „Joseph“, eine warme, baritonale Stimme, die jeder Note eine andere Gravität verleiht. „I didn’t want it to be like another character or anything like that,“ erklärte Louise später. Doch genau das ist passiert: Joseph singt mit melancholischer Tiefe über Aufbruch, Verlust und Selbstbehauptung. Produziert von Tobias Jesso Jr., der sich nach seinem gefeierten Debüt Goon ins Studio zurückgezogen hat, entfalten die Songs eine eindringliche Schlichtheit.
„Wish You Well“ eröffnet das Album als Klavierballade, getragen von dieser unerwarteten, erdigen Stimme. Sie klingt wie aus der Ferne, doch direkt ins Herz gerichtet. „Never Making Plans Again“ zieht seine Kraft aus genau diesem Bruch: Strategien werden aufgegeben, Lebensentwürfe im „schoolyard dirt“ verworfen. In „Falling Apart“ kippt die Gelassenheit, wenn sich Bass und Synths zu einer zerschneidenden Wucht aufbauen. „Mexico“ wiederum trägt die Spuren jenes Zufluchtsortes, in dem Louise die Inspiration fand, und steigert sich in ein kathartisches Crescendo.
Der spöttisch-leichte Ton von „Gentleman“ erinnert an Joni Mitchell’s Reiselust, bevor „Shadowman“ elektronische Eruptionen einschiebt, die den Song wie ein Tagebuch voller Störgeräusche wirken lassen. Das Cover zeigt Louise im Meer pinker Blüten, ihr Blick geradeaus, fast ungeschützt. Es spiegelt die Ambivalenz des Albums: Schönheit und Verletzlichkeit, Ruhe und Aufbruch. In Songs wie „Just the Way I Am“ findet Joseph Worte für diese Bruchlinien: „If I can’t change, will you still love me the same?“ – eine Frage, die sich wie ein Faden durch das ganze Album zieht.
Am Ende steht „When It Comes To You“, ein Finale voller Flammenbilder und schwebender Gespenster, das Zerrissenheit und Hingabe gleichzeitig verkörpert. „Lilac Everything“ ist mehr als ein stilistisches Experiment. Es ist eine Suche nach neuer Stimme und neuer Identität, die sich nicht auf technische Tricks reduzieren lässt. Emma Louise hat ein Album geschaffen, das mutig gegen die Erwartungen arbeitet und dabei etwas Seltenes erreicht: eine emotionale Authentizität, die ohne Pathos auskommt.
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