CMAT
EURO-COUNTRY

KLANGPROFIL: hoffnungsvoll LABEL: CMATBaby / AWAL KLANGSTART: September 2025

Zwischen Kapitalismuskritik, Trauerarbeit und Pop-Drama: CMAT verwandelt auf EURO-COUNTRY irische Realität, Country-Tradition und grelle Shopping-Mall-Ästhetik in funkelnde, bissige Songs zwischen Soul, Indie und Celtic Pop – ein drittes Album voller Schlagfertigkeit, Pathos, Humor, Ohrwurm-Melodien, kulturkritischer Linien und einer Stimme, die tröstet, stichelt, erinnert, widerspricht.

CMAT’s drittes Album beginnt wie ein Auftritt vor einem Spiegel, allerdings vor einem, der gesellschaftliche Verzerrungen gnadenlos zurückwirft. Ciara Mary-Alice Thompson, mittlerweile drei Alben tief im eigenen Kanon, führt hier das Kunststück fort, das ihr Debüt prägte: große Gefühle mit stacheligem Witz, Country-Wurzeln mit Pop-Luxus, Camp mit klarer Kante. Die Vorgeschichte hallt mit: Preisnominierungen, der Choice Music Prize, öffentliches Wachstum, dazu Verluste im engsten Kreis. „Letztes Jahr ist vieles passiert, das meine Perspektive verändert hat“, sagte sie, berühmt werden sei „eines der merkwürdigsten Dinge überhaupt“. Aus dieser Reibung entsteht „EURO-COUNTRY“ als Album über Identität, wirtschaftliche Zumutungen, die Sichtbarkeit von Frauen im Netz und die Mühen der Selbstverortung.

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Oli Deakin, langjähriger Vertrauter, lenkt die Produktion wie ein Regieassistent, der jede Wendung vorausahnt. Das Resultat klingt merklich weiter, als es eine bloße dritte Platte erwarten ließe: hymnische Refrains, luftige Arrangements, präzise gesetzte Fiddle- und Slide-Gitarren, die Country zitiert, ohne Retro-Kitsch zu servieren. Der Titeltrack verdichtet das Programm zur Selbsterklärung eines Landes und einer Künstlerin. Zwischen „All the mooching ’round shops, and the lack of identity“ und dem kehrreimhaften „My Euro, Euro, Euro Country“ klirrt nicht nur Währungssymbolik, sondern auch der nüchterne Blick auf eine Jugend zwischen Einkaufszeilen und Stillstand. Die Kulturkritik bezieht Kraft aus Melodie, nicht aus Predigt. „The Jamie Oliver Petrol Station“ baut daraus eine Miniatur über Projektion, Social Anxiety und Selbstironie; schon die Zeile „That man should not have his face on posters!“ skizziert Pop als Denkbewegung.

„When a Good Man Cries“ öffnet die Tür zur Reue, ohne in Selbstmitleid zu kippen. „I waited for love with a cricket bat“: eine Bildgewalt, die Verfehlung benennt, dann in Fleetwood-Mac-Schichtungen Trost und Scham übereinander legt. „Running/Planning“ schlägt den Bogen zur popaffinen Gegenwart, R&B-Schimmer plus bonkers-Bildern, doch stets mit CMAT’s unfehlbarer Gesangslinie, die den Witz nie vom Gefühl ablöst. Am anderen Ende steht „Lord, Let That Tesla Crash“ als Trauerstück, das Sentiment einkürzt, um Wahrheit freizulegen: „I don’t miss you like I should.“ Die Ambivalenz bleibt stehen, unaufgelöst, dadurch umso schneidender. Das Cover trägt diese Dialektik nach außen: eine königsblaue Figur steigt aus einem Springbrunnen vor einer Mall, nebenan glänzt die Euromünze. 

Der poppige Überfluss wirkt wie ein Versprechen, das längst brüchig ist. CMAT nennt das Einkaufszentrum eine Metapher, ein Ort der Sehnsucht und des Schadens. Der Verweis auf Jean-Léon Gérôme’s „Truth Coming Out of Her Well“ verrät das Verfahren: Wahrheit tritt hervor, nass, blendend, sie spritzt dem Publikum ins Gesicht, während im Hintergrund eine romantisierte Version von Blanchardstown flackert. Über diese Bilder, über Gaelige im Intro, über die Spitznamen „Dunboyne Diana“ entsteht ein Selbstporträt, das Irland liebt, zugleich seziert. Die Songs zeigen, wie man Grenzen verschiebt, ohne die Melodie zu verlieren. Die grelle Pointe hat Platz, die politische Notiz ebenso, die Hook sowieso. „EURO-COUNTRY“ ist deshalb nicht nur klug gebaut, sondern auch unmittelbar ansteckend: catchy, widersprüchlich, tief fühlend.

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CMAT in königsblau steigt in einer Shopping-Mall aus einem Springbrunnen vor einer großen silbernen Euromünze, grelle Farben, Retro-Schriftzug.


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Die Platte wirkt wie Tageslicht nach Regen: nicht wolkenlos, doch mit klarer Sicht auf Wege, die vor einem liegen. Wenn der Titeltrack den Knoten zwischen Ökonomie und Identität festzieht, dann lockern „Ready“ und „Running/Planning“ die Schnürung mit Beats, die vom Stillstand wegführen. „When a Good Man Cries“ trägt Schuld, gleichzeitig das Versprechen, aus Fehlern Melodien zu bauen, die mehr als Entschuldigung sind. „Lord, Let That Tesla Crash“ erkennt, dass echte Trauer Uneindeutigkeit zulässt, wodurch Raum entsteht für neue Zärtlichkeit. Über allem liegt eine Stimme, die Zweifel kennt, doch nicht kapituliert. So entsteht aus Ironie kein Zynismus, sondern der Mut, das eigene Land zu lieben, ohne dessen Risse zu kaschieren. Hoffnung klingt hier nicht als Slogan, sondern als Handwerk: Akkord für Akkord, Refrain für Refrain.
hoffnungsvoll