Chloe x Halle – Ungodly Hour

R&B, VÖ: Juni 2020
Bei der aufreizenden Fortsetzung ihres sorglosen Debüts gehen die R&B-Schwestern CHLOE X HALLE mit ihrer Produktion und ihrem Schreiben größere Risiken ein.

Chloe und Halle Bailey waren kaum Teenager, als ihr YouTube-Cover von Beyonce’s „Pretty Hurts“ zu einem viralen Hit wurde und die Aufmerksamkeit des Pop-Superstars auf sich zog. Beyonce nahm sie bei ihrem Parkwood-Label unter Vertrag, präsentierte Chloe und Halle auf Ihrem Album „Lemonade“ und auch als Vorgruppe durften Chloe und Halle nicht fehlen. Inzwischen, sind die beiden Anfang zwanzig und eine eigenständige musikalische Kraft. Ihr zweites Album ist ein facettenreicher R&B-Genuss, voller glitzernder Gesänge, scharfen Rhythmen und einer klar definierten Selbstbestimmung. Wo ihr Debüt „The Kids Are Alright“ auf subtile Weise mit Themen der Entdeckung des Erwachsenwerdens in Songs wie „Fake“, „Baptize“ und „Grown“ spielte – bewegt sich „Ungodly Hour“ sicher in entschieden erwachsenes Gebiet, oft mit auffallend spezifischen Begriffen. 

“I’m gonna make no apologies/If you lose a life that’s not on me,” want sie vor einem möglicherweise nicht guten Mann in „Tipsy“, während „Busy Boy“ durch eine byzantinische Matrix romantischer Intrigen navigiert: “It’s nine o’clock/I get a text sayin’, ‘Are you up?’/ ‘Bout 9:15/My girl said she got the same message, same thing/A few days, yeah, we’re cool/Then you disappear like I’m a fool/You told me that you with your family/My girl saw you with someone, leavin’ the party.” Es ist die Art von Erfolg, von der die meisten aufstrebenden jungen Künstler nur träumen können – obwohl Ruhm, wie sich herausstellt, keine sichere Sache ist: Die meisten Singles der Geschwister haben es bisher nicht geschafft, in die Top 100 einzusteigen. „Ungodly Hour“ scheint das wohl nicht zu ändern, aber es ist zweifellos anspruchsvoll: gestapelt mit der Art sauberer Harmonien und sanft synkopierten R&B, die sich bescheiden an unsere Ohren anschleichen. 

Chloe und Halle grübeln über den Druck ihres neu gefundenen Ruhms: “Holdin’ my breath ‘til my face turns blue / Head under water / Breathe deeply, they said / I need a weekend again”. Im Widerspruch zum ansonsten schnellen Sound der Platte spricht dieser Moment der Verletzlichkeit für die Stärke des Duos in seiner Zweisamkeit – ein Thema, das auf dem Titeltrack des Albums am deutlichsten zum Ausdruck kommt: “When you decide to love yourself / When you decide you need someone / When you don’t have to think about it / Love me at the ungodly hour”. Das Lied fungiert sowohl als schwüle Einladung als auch als gestärktes Selbstbekenntnis und ist ein klarer Aufruf Ihrer Talente, die in „Ungodly Hour“ mit voller und unerbittlicher Kraft durchschlagen.

8.2